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Politik: Konstruktiv streiten

Moskau und Nato sind bei Kosovo und US-Raketenplänen verschiedener Ansicht – aber guter Stimmung

Schon allein die Tatsache, dass der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow von seinen 26 Nato-Kollegen zum Treffen der Atlantischen Allianz nach Sevilla geladen war und dass in informeller Runde am Freitag offen über strittige Themen wie den Kosovo oder die US-Pläne zur Raketenabwehr diskutiert wurde, zeigt den tief greifenden Wandel der politischen Landkarte in Europa. „Wir haben tatsächlich einiges erreicht“, bilanzierte Iwanow trocken die zehn Jahre Zusammenarbeit zwischen Russland und der Nato.

In Sevilla trat der russische Minister demonstrativ selbstsicher auf – auch als er bei wichtigen Themen Widerspruch anmeldete. Seine Regierung fürchte eine „Kettenreaktion“, wenn der Kosovo in die Unabhängigkeit entlassen werde. „Das könnte einigen anderen Regionen Europas, nicht nur der ehemaligen Sowjetunion, als Modell und Alibi dienen. Die Unabhängigkeit des Kosovo öffnet die Büchse der Pandora“, warnte Iwanow.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte vergangene Woche Außenminister Steinmeier erklärt, seine Regierung stimme dem Plan des UN-Beauftragten Martti Ahtisaari nur dann zu, wenn ihn die Betroffenen selbst, Serben ebenso wie die Vertreter des Kosovo, akzeptieren. Die Antwort der Serben: Sie lehnen die Unabhängigkeit des Kosovo strikt ab. Als Mitglied der Kosovo-Kontaktgruppe könnte Russland deshalb im UN-Sicherheitsrat mit seinem Veto den Plan blockieren. Das aber wollen der UN-Unterhändler Ahtisaari sowie die auf dem Balkan besonders engagierte EU verhindern. Durch die Verschiebung des Verhandlungsbeginns um eine Woche auf den 21. Februar wollen sie Zeit gewinnen, um die Serben von einem Kompromiss zu überzeugen. „Wir müssen uns gemeinsam bemühen, dass beide Seiten diesen Vorschlag akzeptieren“, sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Nato-Diplomaten sahen die Chance einer Annäherung. Ahtisaari habe bewusst den Begriff „Unabhängigkeit“ für den Kosovo vermieden. Das schaffe Spielräume.

Die Nato bekräftigte ihre Unterstützung für den Ahtisaari-Plan „und auch für den Zeitplan“. In der Runde der Verteidigungsminister sei man sich darüber einig gewesen, berichtete Nato-Generalsekretär Japp de Hoop Scheffer. Um Ahtisaari den Rücken zu stärken und die friedliche Entwicklung in der Region abzusichern, werde die Nato die bisherige Truppenstärke der im Kosovo stationierten Kfor auf absehbare Zeit beibehalten – „im Umfang, der zur Erfüllung des Mandats nötig ist.“ Die Nato-Truppe hat derzeit eine Truppenstärke von 17 000 Mann, darunter 2700 Deutsche.

Während der Nato-Generalsekretär zum Kosovo sich eindeutig hinter den Ahtisaari-Plan stellte, wich er dem Konflikt mit Russland über die geplante Raketenabwehr aus. Das seien nicht Pläne der Allianz, sondern alleine der USA, sagte de Hoop Scheffer. Moskau ist über die Überlegungen Washingtons beunruhigt, in den östlichen Nato-Staaten, einst Teil der Sowjetunion oder des Warschauer Pakts, einen Raketenschutzschild aufstellen. Er sehe den Sinn dieser Rüstung nicht ein, sagte Iwanow. Die Modernisierung der russischen Raketenwaffen rechtfertige den Schritt der USA nicht. Russland gebe nur einen Bruchteil des Geldes für die Modernisierung aus, das die USA in ihre Streitkräfte investieren.

Bei allen Meinungsunterschieden – in einem Punkt zeigte sich der russische Minister völlig einig mit seinen Nato-Kollegen: Russland leiste der Afghanistan-Schutztruppe (Isaf) in ihrem Kampf gegen den islamischen Terror Hilfe – wo und wie immer das auch möglich sei. Außer mit russischen Truppen.

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