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Kontroverse: Sarkozy drängt mit Macht in die Nato

Von der vollständigen Integration Frankreichs verspricht sich der Präsident eine Europäisierung der Allianz. Doch Frankreich will "Herr über seine Entscheidungen bleiben".

Auch nach der Rückkehr in die integrierte Kommandostruktur der Nato wird Frankreich an seiner sicherheitspolitischen Unabhängigkeit festhalten. Das erklärte Präsident Nicolas Sarkozy am Mittwoch in Paris. Wenn Frankreich wieder seinen „ganzen Platz“ im Bündnis einnehmen werde, stehe das nicht im Widerspruch zum Aufbau einer europäischen Verteidigung, sondern es sei eine Ergänzung, sagte Sarkozy bei einem Kolloquium der Stiftung für Strategische Forschung, an dem Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop und der Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, Javier Solana, teilnahmen. Beim Gipfeltreffen der Allianz mit dem neuen US-Präsidenten Barack Obama, das zum 60. Jubiläum ihrer Gründung am 3. und 4. April in Straßburg und Kehl stattfindet, soll nach Sarkozys Worten „der Prozess der Erneuerung der Beziehungen Frankreichs zur Nato abgeschlossen werden“.

Während Sarkozys Absicht bei den Verbündeten begrüßt wird, hat sie in Frankreichs politischer Klasse eine Kontroverse ausgelöst. Nicht nur die linke Opposition, sondern auch Teile des rechten Regierungslagers erheben ihre Stimme gegen die Reintegration Frankreichs in die Militärorganisation der Allianz. Unter Präsident Charles de Gaulle hatte Frankreich 1966 die alliierten Stäbe verlassen, ohne jedoch die politische Mitgliedschaft im Bündnis aufzugeben. Angesichts der massiven Kritik ermächtigte Sarkozy gestern Premierminister Francois Fillon, die nächste Woche im Parlament angesetzte Regierungserklärung zur Außenpolitik mit der Vertrauensfrage zu verbinden. Den Abgeordneten der Regierungspartei UMP sind damit die Hände gebunden. Sie werden es nicht riskieren, die Regierung zu stürzen.

Sarkozy hatte gehofft, mit der Rückkehr in die integrierte Kommandostruktur die Bemühungen um eine europäische Verteidigung zu krönen, deren Ausbau er sich für die französische Ratspräsidentschaft der EU im zweiten Halbjahr 2008 vorgenommen hatte. Doch dazu kam es nicht. Fortschritte in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU gelten seitdem nicht mehr als Voraussetzung für Frankreichs Rückkehr, vielmehr wird Letztere jetzt als Hebel für einen größeren Einfluss der Europäer in der Allianz ausgegeben. „Das Europa der Verteidigung wird zur Realität“, verspricht Verteidigungsminister Hervé Morin.

Die Opposition bezweifelt das. Die Europäer wollten gar keine europäische Verteidigung und die Amerikaner auch nicht, meint der frühere sozialistische Außenminister Hubert Védrine. Frankreich wird künftig zwar zwei, jedoch nur weniger bedeutende alliierte Kommandos führen. Ein französischer General soll an der Spitze des Allied Command for Transformation (ACT) in Norfolk (Virginia) stehen. Es hat planerische, aber keine operativen Aufgaben. Außerdem soll Frankreich das Regionalkommando in Lissabon führen. Es untersteht dem Oberbefehlshaber in Europa (Saceur), traditionell ein US-General.

Mit der Rückkehr Frankreichs werden indes rund tausend französische Militärs in alliierte Stäbe einziehen. Mit etwa hundert Offizieren war Frankreich dort bisher schon, bedingt durch die punktuelle Teilnahme an gemeinsamen Nato-Operationen, ohne Mitspracherecht präsent. Das soll sich nun ändern. „Doch Frankreich wird Herr seiner Entscheidungen bleiben“, versichert Außenminister Bernard Kouchner.

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