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Konzentrationslager: Nachdenken über das Böse

Häftlinge in Polen sollen Auschwitz besuchen, um mit dieser "Schocktherapie" wieder auf den rechten Weg gebracht zu werden. Das Vorhaben stößt allerdings nicht überall auf Zuspruch.

Mit einer „Schocktherapie“ sollen Strafgefangene in Polen zum Nachdenken über das „Böse“ angeregt und wieder auf den rechten Weg gebracht werden. Wie die Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ berichtet, werden bald Straftäter im Zuge ihrer Resozialisierung das deutsche Konzentrationslager Auschwitz besuchen. Die Häftlinge sollten sich bewusst werden, wozu es führen könne, wenn man das Böse ohne Widerstand hinnehme, sagte eine Sprecherin der Gefängnisverwaltung. Gewalt und Verfolgung könnten zur Entstehung eines schrecklichen Systems führen.

Das Konzentrationslager Auschwitz- Birkenau war das größte Todeslager der Nationalsozialisten im besetzten Polen. Zwischen 1940 und 1945 wurde dort mehr als eine Million Menschen ermordet. Die meisten Opfer waren Juden. Das Programm für den eintägigen Besuch der polnischen Strafgefangenen sei bereits ausgearbeitet. Nach der Besichtigung des Lagers werden sie in Dokumentarfilmen über den Alltag in Auschwitz informiert und auch einen Vortrag über Strafvollzug im „Dritten Reich“ hören. Konfrontiert werden sie auch mit Schilderungen über die Vergasung von Menschen, öffentliche Hinrichtungen, Hunger und menschenverachtende medizinische Experimente.

Nicht jeder Strafgefangene wird an dem Programm teilnehmen. Es ist vorerst auf Häftlinge aus der Region Kleinpolen begrenzt. Zudem müssen sie den größten Teil der Strafe bereits verbüßt haben und ihnen muss eine gute Führung attestiert worden sein. Auch werden die Strafgefangenen nicht unvorbereitet das ehemalige Vernichtungslager besuchen. Die interessierten Strafanstalten hätten bereits seit einem Jahr Publikationen über die Geschichte des Lagers erhalten. Diese sei in Diskussionen mit den Häftlingen aufgearbeitet worden.

Das Projekt stößt nicht überall auf Zuspruch. Skeptisch äußert sich der ehemalige Auschwitz-Häftling und Präsident des Internationalen Rates der Gedenkstätte, Wladyslaw Bartoszewski. Er habe Zweifel, ob die Erinnerung an schreckliche Vernichtungslager zur Resozialisierung beitragen könne. Es bestehe die Gefahr, dass die Strafgefangenen all die Informationen über das „Dritte Reich“ auf ihre ganz eigene Weise interpretieren würden. Museumsdirektor Piotr Cywinski hingegen hält das Projekt nach Angaben von „Gazeta Wyborcza“ für eine gute Idee. Die Geschichte von Auschwitz sei erschütternd und könne durchaus zur Resozialisierung beitragen, sagt Cywinski und er unterstreicht: „Wir haben uns auf das Programm sehr gut vorbereitet.“

Knut Krohn[Warschau]

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