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Janusz Kaczmarek

© AFP

Korruptionsfall: Polens Ex-Innenminister festgenommen

Die Affäre um Bespitzelungen polnischer Politiker erreicht einen neuen Höhepunkt: Ex-Innenminister Janusz Kaczmarek wurde mit dem Vorwurf konfrontiert, Ermittlungen zu behindern und wurde prompt verhaftet. Solidarnosc-Legende Lech Walesa kritisierte die Verhaftung scharf.

Der Kampf zwischen der polnischen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und ihren politischen Gegnern eskaliert: Am Donnerstagmorgen ist der ehemalige Innenminister Janusz Kaczmarek von vermummten Beamten des Inlandsgeheimdiensts ABW verhaftet und verhört worden. Nach der Version der polnischen Staatsanwaltschaft wird ihm die „Behinderung von Ermittlungen“ in einem Korruptionsfall im Landwirtschaftsministerium vorgeworfen.

Kaczmarek hatte jedoch vor einer Woche mit seinen Aussagen in einem parlamentarischen Ausschuss den Justizminister Zbigniew Ziobro schwer belastet. Ziobro soll Geheimdienste genutzt haben, um kompromittierendes Material über politische Gegner zu sammeln. Der Justizminister, der neben den beiden Kaczynskis als mächtigster Mann des Staates gilt, bestreitet die Vorwürfe und wird weiterhin von seinen Parteikollegen unterstützt.

Ansonsten herrschte nach der Verhaftung Kaczmareks Aufruhr in der polnischen Öffentlichkeit: „Diese Leute sind sogar fähig, den Kriegszustand wieder über Polen zu verhängen“, erklärte die Solidarnosc-Legende Lech Walesa. Kaczmarek solle mundtot gemacht werden, erklärte der außenpolitische Sprecher der „Bürgerlichen Plattform“ (PO), Bronislaw Komorowski: Der ehemalige Generalstaatsanwalt und vormalige Innenminister kann nun nicht vor dem parlamentarischen Geheimdienstausschuss aussagen, wie für diesen Freitag geplant.

Verhaftet wurde zudem der ehemalige Polizeikommandant Konrad Kornatowski und der Chef des halbstaatlichen Versicherungskonzerns PZU, Jaromir Netzel. Medienberichten zufolge sollte der Chef des polnischen Bundeskriminalamtes (CBS), Jarosaw Marzec, ebenfalls verhaftet werden.

Als bei einer geheimen Sitzung des Sejm am Dienstag bei der Verlesung der Kaczmarek-Protokolle herauskam, dass der ehemalige Landwirtschaftsminister Andrej Lepper auf Betreiben Ziobros abgehört wurde, verlangte auch der Chef der ultrakatholischen „Liga Polnischer Familien“, Roman Giertych, eine weitere Befragung von Kaczmarek.

Die Verhaftungen werden offiziell mit der Affäre um Ermittlungen des „Zentralen Antikorruptionsbüro" (CBA) im Landwirtschaftsministerium begründet: Dort erfuhr Ex-Minister Lepper, dass das CBA gegen ihn eine Korruptionsfalle vorbereite. Premier Lech Kaczynski beschuldigte Kaczmarek dieses Verrats und entließ ihn Mitte August, einige Tage danach löste er die Koalition mit Leppers Partei „Selbstverteidigung“ und der „Liga Polnischer Familien“ auf. Seitdem regiert die PiS als Minderheit ohne Verbündete.

Die Linken (SLD) setzen sich für einen Untersuchungsausschuss ein, um die Geheimdienstmachenschaften der PiS aufzuklären. Donald Tusk, Vorsitzender der in Umfragen führenden liberalen PO, erklärte hingegen, dass schnelle Neuwahlen der einzige Weg aus der Krise seien. Am 7. September soll über die Auflösung des Sejm abgestimmt werden, auch die PiS ist offiziell für Neuwahlen im Herbst.

Jens Mattern[Warschau]

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