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Korruptionsskandal: Sachsenaffäre wird im Parlament untersucht

Die Opposition im sächsischen Landtag will zur Aufklärung der Korruptionsaffäre einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Offenbar kannte auch Kanzleramtschef de Maizière brisante Akten.

Von Sabine Beikler

Nach Bekanntwerden von weiteren Pannen bei der Aufklärung der sächsischen Korruptionsaffäre werden Linke, FDP und Grüne in der kommenden Woche die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in der Landtagssitzung beschließen. Die Linksfraktion will in der Sitzung überdies die Missbilligung von Innenminister Albrecht Buttolo und Justizminister Geert Mackenroth (beide CDU) beantragen. Buttolo trage die politische Verantwortung dafür, dass beim Landesamt für Verfassungsschutz wiederholt brisante Akten vernichtet worden sind, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, André Hahn. Auch eine unabhängige Ermittlungsführung durch Staatsanwälte sei nicht gewährleistet.

Die Opposition und mittlerweile auch die SPD fordern die Einsetzung von externen Ermittlern, die mit den in den Verfassungsschutzakten enthaltenen Vorgängen noch nie etwas zu tun gehabt haben. „Beide Minister sind dem Auftrag, für schnellstmögliche Aufklärung und Strafverfolgung zu sorgen, völlig unzureichend nachgekommen“, sagte Hahn, der auch Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) ist.

Die sächsische Korruptionsaffäre hat auch Auswirkungen bis Berlin. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU), der auch vor den Ausschuss geladen werden soll, wusste offenbar bereits am 15. August 2005 in seiner damaligen Funktion als sächsischer Innenminister von den brisanten Akten, die der Verfassungsschutz über die Politik und Justiz in Sachsen und deren Verbindungen zur organisierten Kriminalität gesammelt hatte.

De Maizière ordnete am 15. August die Wiederaufnahme der Beobachtung der organisierten Kriminalität durch den Verfassungsschutz an, die laut Urteil des sächsischen Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juli 2005 aber nur bei Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hätte erfolgen dürfen. Damit mehren sich die Hinweise darauf, dass de Maizière zumindest Kenntnis von der Brisanz der Akten hatte. Jedenfalls legt die Anordnung einer weiteren Beobachtung der organisierten Kriminalität dies nahe. Widersprüchlich erscheint das, weil das Kanzleramt bei seiner Darstellung bleibt, dass zum damaligen Zeitpunkt die „Erkenntnisdichte“ nicht hinreichend war, um die PKK zu informieren. Aus dem Kanzleramt hieß es dazu am Donnerstag: Über die Vorgänge habe die sächsische Staatsregierung bereits informiert. Dies gelte ausdrücklich auch für die Zeit, als de Maizière Innenminister in Sachsen war. „Die deshalb gegen ihn gerichteten Vorwürfe der Strafvereitelung im Amt entbehren daher jeglicher Grundlage“, teilte ein Sprecher mit. Der Dresdner Strafrechtsexperte Klaus Koenig hat inzwischen Strafanzeige gegen de Maizière gestellt.

„Nach der Arbeitsweise des Innenministeriums muss de Maizière sogar noch weit vor Mitte August von den Akten Kenntnis gehabt haben. Er hätte uns auf jeden Fall informieren müssen“, sagte Sachsens SPD-Fraktionsvize und Mitglied der PKK, Stefan Brangs. „Sein Agieren ist nicht professionell in Bezug auf seine Funktion als Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung. Das hat einen sehr bitteren Beigeschmack.“ Aus einem internen Dossier des Verfassungsschutzes geht hervor, dass das brisante Material bereits „zwischen April 2005 und Mitte Juli 2005“ bekannt geworden war. Das fünfköpfige Gremium, das die Aktivitäten des Verfassungsschutzes kontrollieren soll, ist aber erst am 19. September 2006 über die brisanten Unterlagen informiert worden. Erstmals Einsicht in die 100 Akten erhielt die PKK dann am 4. Oktober 2006. „Der Verfassungsschutz hat sich als Staat im Staat offenbar verselbstständigt und agiert frei und ohne Kontrolle“, sagte der SPD-Abgeordnete Brangs.

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