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Kosovo-Gutachten: Separatisten könnten nun neue Hoffnung schöpfen

Die Anerkennung des Kosovo hat nicht nur eine einvernehmliche Regelung des Streits zwischen Georgien und seinen abtrünnigen Regionen um Jahre zurückgeworfen. Sie ist auch Störfaktor bei der Bewältigung anderer schwelender Konflikte auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR.

Als der Westen vor gut zweieinhalb Jahren darüber nachdachte, das Kosovo als souveränen Staat anzuerkennen, waren Russland und Georgien sich – ungeachtet aller sonstigen Differenzen – darüber einig, dass die Entlassung der Albanerregion in die Unabhängigkeit ein schwerer Fehler sei. Beide hatten dazu allerdings völlig unterschiedliche Beweggründe. Russland wollte eine Schwächung Serbiens verhindern, Moskaus derzeit einzigem Verbündeten auf dem Balkan.

Georgien dagegen befürchtete, mit der Anerkennung des Kosovo würde ein Präzedenzfall geschaffen, der Bemühungen um die Reintegration seiner abtrünnigen Regionen erschweren würde: Südossetien und Abchasien, wo Anfang der Neunziger Separatistenregime die Macht übernommen hatten, die von Moskau unterstützt wurden. Mehr noch: Russland warf den Bewohnern beider Regionen russische Pässe förmlich nach. Mit dem Schutz dieser Bürger begründete Moskau auch den Einmarsch im August 2008, als Georgien versuchte, seine Ex-Autonomien mit Waffengewalt zurück unter das Dach seiner Verfassung zu zwingen. Und bei deren Anerkennung nach dem Ende des Fünf-TageKrieges berief sich Moskau ausdrücklich auf das Kosovo. Wenn der Westen Georgiens Forderungen nach territorialer Integrität unterstützt, hält Moskau ihm immer wieder doppelte Standards vor.

Die Anerkennung des Kosovo indes hat nicht nur eine einvernehmliche Regelung des Streits zwischen Georgien und seinen abtrünnigen Regionen um Jahre zurückgeworfen. Sie ist auch Störfaktor bei der Bewältigung anderer schwelender Konflikte auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR, an denen sich UN und OSZE bereits seit Jahren und bisher ohne nennenswerte Erfolge abarbeiten. Das gilt vor allem für den Konflikt um Berg-Karabach. Die vorwiegend von Armeniern bewohnte Region sagte sich 1988 von Aserbaidschan los, blutige Kämpfe eskalierten 1993 erneut, als Armenien einen Korridor in die Exklave schlug, dabei mehrere umliegende aserbaidschanische Landkreise besetzte und diese bis heute nicht zurückgab. Daran scheiterte vorerst auch die unter Schweizer Vermittlung ausgehandelte Normalisierung der Beziehungen Armeniens zur Türkei. Ankara ist mit Aserbaidschan verbündet. Ohne erkennbare Bewegung Armeniens im Karabachkonflikt wollte die Türkei ihre seit 1993 geschlossenen Grenzen zu Armenien nicht öffnen. Lachender Dritter ist der Iran, über den Armenien mangels Alternativen fast den gesamten Außenhandel abwickeln muss.

Auch über Bemühungen zur Beilegung des Transnistrienkonflikts lastet die Anerkennung des Kosovo wie ein Schatten. Die von Slawen bewohnte Region am linken Ufer des Dnestr wurde mit Moldawien, das bis 1940 Teil Rumäniens war und erst durch den Hitler-Stalin-Pakt an die Sowjetunion kam, zwangsvereinigt und verabschiedete sich 1992 per Bürgerkrieg in die Unabhängigkeit. Die Separatisten hoffen seit der Anerkennung des Kosovo nicht nur auf einen eigenen Staat, sie leiten aus der Präsenz der Nato in der jungen Republik auch ein Bleiberecht für russische Truppen in Transnistrien ab.

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