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Kosovo: Serben verteidigen Grenzblockade

Ein großes Metallkreuz, Baumstämme – und Demonstrantinnen: Wie die Serben die Blockade des Übergangs Jarinje verteidigen. Ein Besuch im Kosovo.

Sieben Meter hoch ist das Metallkreuz. Die Serben im Norden des Kosovo haben es in die Mitte der Landstraße einbetoniert, die von der Stadt Kosovska Mitrovica über die Stadt Leposavic zur Grenze mit Serbien führt. Das Kreuz markiert den Beginn der Straßensperre, die den Weg zum Grenzübergang Jarinje blockiert, den serbische Gewalttäter vor einigen Tagen abgefackelt haben. Dabei wurden auch Soldaten der Friedenstruppe Kfor beschossen.

Dies war der vorläufige Höhepunkt des in der vergangenen Woche neu entbrannten Konflikts zwischen Serben und Albanern. Zuvor hatte das Kosovo ein Importverbot für Waren aus Serbien erlassen und damit auf eine entsprechende, schon lange bestehende, Blockade für Güter aus dem Kosovo durch Serbien reagiert. Im Nordkosovo leben rund 55 000 Serben und 10 000 Albaner.

Den Übergang Jarinje kontrolliert nun die Kfor, die ihre Soldaten wegen der Blockade tagelang aus der Luft versorgen musste. Einige Meter hinter dem Kreuz in der Straßenmitte sitzen Serbinnen mittleren Alters auf Ziegelsteinen unter einem großen Sonnenschirm – und demonstrieren. Sie bilden sozusagen die erste Linie der Sperre. Als weitere Verteidigungslinien folgen Schotter und Baumstämme. Aber vor allem die Demonstrantinnen machen es der Kfor schwer, die Landstraße zu räumen. Denn weder der deutsche Kfor-Kommandeur Erhard Bühler noch Vertreter der EU dürften in der ohnehin aufgeheizten Atmosphäre Bilder um die Welt gehen sehen wollen, auf denen ein Kreuz zerstört und Frauen gewaltsam entfernt werden.

Unter den Demonstrantinnen ist auch eine Krankenschwester mit kurzem brünettem Haar, die im serbischen Krankenhaus im nördlichen, serbischen Teil der Stadt Kosovska Mitrovica arbeitet. Seit sechs Uhr morgens sitzt sie an der Blockade. Obwohl die Frau eher gemäßigte Ansichten vertritt, ist es auch für sie undenkbar, in einem albanisch dominierten Staat Kosovo zu leben. Ihr Nein formuliert die Krankenschwester so: „Es kann nicht eine Seite alles bekommen, und der anderen bleibt nur die Frustration. Man kann auch nicht einfach ein Gebiet besetzen und sagen, von heute an heißt das anders, und uns interessiert das überhaupt nicht, dass ihr damit nicht einverstanden seid, ganz egal wie viele ihr seid. Ihr seid einfach ein Begleitschaden irgendeiner Weltpolitik.“

Zu den Argumenten aller protestierenden Serben im Norden des Kosovo zählt auch der Vorwurf der fehlenden Bewegungsfreiheit, sprich die Angst vor einer Reise in den Süden, in dem die Albaner dominieren. Diese Furcht hält einer Prüfung in der Realität nur bedingt stand. Doch die Erinnerungen an die Albanerunruhen und die Gewalttaten gegen die Kosovo-Serben im März 2004 sind noch zu frisch, um Argumenten und dem Hinweis zugänglich zu sein, dass im Süden bereits viele Autos mit serbischen Kennzeichen zu sehen sind. Ebenso fehlt es an Unrechtsbewusstsein gegenüber den Albanern und einem Verantwortungsgefühl für Verbrechen, die in der Ära des serbischen Autokraten Slobodan Milosevic begangen wurden. Verdrängung, Vergessen, Aufrechnen und das Bewusstsein, selbst jahrelang diskriminiert worden zu sein, dominieren ebenso wie die Sorgen des Alltags. Die müssen erst gelöst werden, bevor eine ernsthafte Aufarbeitung der Geschichte möglich wird. Hinzu kommt das Gefühl, vom Westen, von den USA und der EU, ständig erpresst zu werden. Daher hat auch die Krankenschwester klare Vorbehalte gegen die EU: „Diese enormen Forderungen: Ihr müsst das und jenes tun, ihr müsst das so sehen, wie wir sagen, und das tun – dieser politische Druck stört mich.“

Zwei Faktoren machen die Situation besonders schwierig. Zum einen die Macht der Mafia, wie Kfor-Kommandeur Bühler am Mittwoch dem Tagesspiegel gesagt hatte: „Man hat viel zu lange zugelassen, dass sich hier radikale Strukturen herausgebildet haben. Das sind insbesondere sehr starke kriminelle Strukturen.“ Diese Strukturen seien multiethnisch aufgestellt – sowohl kosovo-albanisch als auch kosovo-serbisch, sagte der Generalmajor der Bundeswehr. Dabei gehe es um Macht und um Geld.

Zum anderen sind auch die meisten Serben im Norden besonders nationalistisch. Hier sind die ultranationalistischen Serben-Parteien noch immer sehr stark. Das sind die DSS des früheren Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica und die Serbisch-Radikale Partei unter Vojislav Seselj, der seit mehr als sieben Jahren in einer Zelle des Haager Tribunals sitzt. In Belgrad sind beide Parteien nur noch ein Schatten ihrer selbst.

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