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Krawalle in Frankreich: Nationalversammlung verlängert Notstandsrecht

Gegen den Widerstand der linken Opposition hat die Nationalversammlung in Frankreich der Verlängerung des Notstandsrechtes um drei Monate zugestimmt. Die Polizei sprach indes von einer "quasi normalen Lage" in den Vorstädten.

Paris- Erstmals traten auch die Sozialisten wie Kommunisten (KPF) und Grüne gegen die Sonderbefugnisse für die Regierung an. Dennoch war die Entscheidung angesichts der klaren Mehrheit der Regierungspartei UMP mit 346 gegen 148 Stimmen eindeutig. Nach der am Mittwochabend erwarteten Zustimmung des Senats kann die Regierung damit bis zum 21. Februar 2006 weiter Ausgehverbote für Jugendliche in Problemvierteln durchsetzen.

In der Nacht zum Dienstag waren die Jugendunruhen in Einwanderer- Vorstädten weiter abgeflaut. Die Polizei sprach angesichts von nur noch 215 Brandanschlägen auf Autos von einer «quasi normalen Lage». Innenminister Nicolas Sarkozy verteidigte das Festhalten am Notstandsrecht aber mit den Worten, noch sei «nichts endgültig erreicht». Die Gewalt werde von Kriminellen geschürt, die verhindern wollten, dass Recht und Gesetz in ihren Vierteln herrschten. Dagegen werde er eine «offensive Strategie zur Ausradierung der Schiebereien und der Dealer» verfolgen. Die ersten zehn Ausweisungsverfahren für ausländische Randalierer liefen, sagte Sarkozy.

Die Unruhen hatten am 27. Oktober begonnen und 300 Gemeinden erfasst. 8800 Fahrzeuge und Dutzende Gebäude gingen seitdem in Flammen auf. Bisher wurde das per Dekret eingeführte Notstandsrecht in fünf Departements für Ausgehverbote genutzt. Die KPF-Chefin Marie- George Buffet nannte das Notstandsrecht «eine Kriegserklärung an die Armen». Wenn man nicht schnell Wohnungen, Arbeit und Hilfen für die Familien bereitstelle, werde es neue Ausschreitungen geben. Die Sozialisten erklärten, der Staat verfüge über genügend Mittel und die Ausgehverbote dienten «vor allem der Propaganda» der Regierung.

Präsident Jacques Chirac hatte am Montagabend die Verlängerung des Notstandsrecht als notwendig bezeichnet, um dem Gesetz wieder Achtung zu verschaffen. In seiner ersten Fernsehansprache zu den Unruhen kündigte er die Schaffung eines freiwilligen Zivildienstes für 50 000 Jugendlichen aus Problemvierteln an.

In der Regierungspartei UMP mehren sich die Stimmen, den Zuzug von Ausländern über Familienzusammenführung zu beschränken und Eltern von Krawallmachern das Kindergeld zu streichen. die Kleinstadt Etampes bei Paris streicht bereits seit sieben Jahren kommunale Beihilfen an Eltern jugendlicher Straftäter; jährlich sind dort etwa 15 bis 20 meist kinderreiche Familien betroffen.

Da die Unruhestifter in der Regel aus muslimischen Familien stammen, wächst die Stimmung gegen den Islam in Frankreich. Zum wiederholten Male wurde in der Nacht zum Dienstag eine Moschee Ziel eines Brandanschlages. Diesmal traf es ein Gotteshaus in Saint- Chamont nahe Lyon. Der Präsident des Muslimrates CFCM, Dalil Boubakeur, sprach von einem «Zeichen einer beunruhigenden und bewusst geförderten Feindschaft gegen den Islam». (tso/dpa)

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