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Krawalle: Verlängerung des Notstands spaltet Frankreich

Nach dem Abschwellen der Jugendunruhen ist in Frankreich ein heftiger Streit um die Verlängerung des Notstandsrechtes um drei Monate entbrannt.

Paris - Die Sozialisten schlossen sich am Dienstag dem Widerstand der Kommunisten und der Grünen gegen einen entsprechenden Parlamentsbeschluss an. Angesichts der breiten Mehrheit der neogaullistischen UMP in beiden Kammern gab es aber keinen Zweifel, dass nach der Nationalversammlung am Dienstagabend auch der Senat am Mittwochabend die Maßnahme billigen werde. Das bis kommenden Montag geltende Notstands-Dekret, das Ausgehverbote für Jugendliche ermöglicht, wurde von den Sozialisten mitgetragen.

In der Nacht zum Dienstag wurden landesweit 215 Brandanschläge auf Autos gezählt, etwa zweieinhalb Mal so viel wie vor Beginn der Jugendkrawalle am 27. Oktober üblich. Die Polizei sprach von einer Rückkehr «zu einer quasi normalen Lage». 71 Personen wurden festgenommen. Erneut gab es einen Anschlag auf eine Moschee. Seit Beginn der Unruhen gingen in 300 Gemeinden mehr als 8800 Fahrzeuge sowie Dutzende Gebäude in Flammen auf; 2800 Randalierer wurden festgenommen. In fünf Départements wurden örtlich nächtliche Ausgehverbote für Jugendliche verhängt.

Präsident Jacques Chirac hatte am Montagabend die Schaffung eines freiwilligen Zivildienstes ankündigt, um 50 000 Jugendlichen aus Problemvierteln zu helfen. Er bescheinigte den Jugendlichen eine Identitätskrise und soziale Probleme. Gleichzeitig verteidigte er aber die Verlängerung des Notstandsrecht um drei Monate, damit das Gesetz wieder geachtet werde. Es war die erste TV-Ansprache Chiracs, der Anfang September einen leichten Schlaganfall erlitten hatte, seit Beginn der Unruhen.

Der UMP-Fraktionschef Bernard Accoyer schlug vor, das Gesetz über Familienzusammenführung zu ändern, über das die meisten Einwanderer in den Problemvierteln nach Frankreich gekommen sind. Auch eine Kürzung des Kindergeldes und der Sozialzuschüsse für Eltern von Randalierern findet im Parlament immer mehr Befürworter. Die Vereinigung der Elternverbände UNAF wies das Ansinnen am Dienstag mit dem Argument zurück, Kindergeld sei ein Ausgleich für die Belastung durch Kinder und kein Stipendium für ein Pädagogikdiplom.

Nach einem Anschlag mit mehreren Brandsätzen auf eine Moschee in Saint-Chamont nahe Lyon wächst in Frankreich die Besorgnis vor einer islamfeindlichen Welle. Das Gotteshaus wurde in der Nacht zum Dienstag beschädigt, blieb aber benutzbar. Ähnliche Anschläge hatte es in den vergangenen Tagen in Carpentras bei Avignon und Annemasse (Alpen) gegeben. Der Regionalpräsident der Muslimvereinigung CRCM, Azzedine Gaci, warnte davor, die «soziale und wirtschaftliche Krise in eine religiöse Krise zu verwandeln». Der Präsident des Muslimrates CFCM, Dalil Boubakeur, wertete den Anschlag als «Zeichen einer beunruhigenden und bewusst geförderten Feindschaft gegen den Islam». Der Islam werde zum Sündenbock für die Unruhen gemacht. (tso/dpa)

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