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Die anderen Deutschen und die Kanzlerin – am Mittwoch auf dem Gipfel.

© dpa

Politik: Kritik am „Irritationsgipfel“

Viertes Spitzentreffen mit Migranten im Kanzleramt Wowereit: Bilder für die Presse, während Schwarz-Gelb die Mittel kürzt

Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel will in den nächsten fünf bis sieben Jahren jedem Migranten in Deutschland die Möglichkeit verschaffen, einen Sprach- und Integrationskurs zu besuchen. „Wir werden dann erreicht haben, was dreißig Jahre lang versäumt wurde“, sagte Merkel nach Abschluss des inzwischen vierten Integrationsgipfels am Mittwoch.

Auf dem Gipfel wurde ein „Aktionsplan“ beschlossen, der dem „Nationalen Integrationsplan“ folgt. Er soll nach den Worten der Beauftragten der Bundesregierung für Migration und Integration, Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), die Umsetzung von Integrationszielen verbindlicher und besser nachprüfbar machen. Als neue Themen nannte sie Gesundheit und Pflege, die in einer älter werden Gesellschaft immer wichtiger würden. Außerdem werde man sich noch stärker darum bemühen, mehr Migranten in den öffentlichen Dienst zu holen, der dafür eine „Vorreiterrolle“ habe. Diese Absicht war schon Gegenstand früherer Gipfeltreffen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte, dabei genüge es nicht, abzuwarten, bis geeignete Migranten sich bewerben: „Wir müssen hingehen“.

Kenan Kücük, der Geschäftsführer des Multikulturellen Forums, nahm sich auf der Pressekonferenz nach dem Treffen eine Äußerung der Kanzlerin vor: „Multikulti ist gescheitert. Aber Sie sehen: Ich sitze hier.“ Die Kanzlerin verteidigte sich erneut mit den Worten, sie habe sich auf den Multikulturalismus als Konzept bezogen. Die Dinge einfach laufen zu lassen, sei gescheitert. Kücük nannte ethnische Vielfalt hingegen Deutschlands „Realität und Zukunft“; die gemeinsame deutsche Leitkultur enthalte das Grundgesetz.

Migrantenvertreter, Fachpolitiker und Wissenschaftler äußerten sich mehrheitlich kritisch über den Gipfel. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Migration und Integration, Klaus J. Bade nannte das Gipfeltreffen eine vertane Chance zur „Eindämmung der grundlosen neuen Integrationshysterie“. Statt ihr entgegenzutreten, würden mit Sanktionsdrohungen „die Falschen diskreditiert und demotiviert“, erklärte Bade. „Sogenannte ‚Integrationsverweigerer' sind die Ausnahmen. Sie bestätigen nur die Regel der weitgehend erfolgreichen Integration.“ Der Grünen- Migrationpolitiker Mehmet Kilic sprach von einem „Irritationsgipfel“. Der Bundespräsident bekenne sich zum Einwanderungsland Deutschland, Kanzlerin und CSU widersprächen. „Ich schlage der Union eine Teilnahme an einem Integrationskurs mit anschließendem 30-stündigen Orientierungskurs vor.“

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kritisierte, er habe von der Kanzlerin „ kein Signal gehört, dass die für die Integration so wichtigen Mittel der Städtebauförderung erhalten bleiben sollen“. Hier fielen Reden und Handeln auseinander, erklärte Wowereit, der auch stellvertretender SPD- Vorsitzender ist. Das Treffen am Mittwoch mit mehr als 100 Teilnehmern war das vierte seit 2006. Beim zweiten Gipfel im Juli 2007 hatten die Vertreter von Bund, Ländern, Gemeinden, Wirtschaft und Medien und die Repräsentanten mehrerer Migrantenorganisationen mehr als 400 Selbstverpflichtungen beschlossen. Deren Umsetzung sollte beim dritten Gipfel 2008 bilanziert werden.

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