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Papst Benedikt XVI. wird im Deutschen Bundestag sprechen – viele halten das für grundsätzlich falsch.

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„Herr Ratzinger“ im Bundestag: Kritik an Papstrede im Parlament

Auf seinem viertägigen Deutschlandbesuch wird der Papst eine Rede im Deutschen Bundestag halten. In den Oppositionsfraktionen regt sich von vielen Seiten Kritik – inhaltlich wie grundsätzlich.

Von Matthias Meisner

Als Hans-Christian Ströbele ein Junge war, etwa zwölf Jahre alt, lautete sein Berufswunsch: Papst. Später wurde der heute 72-Jährige, aufgewachsen in einem katholischen Elternhaus, dann doch Rechtsanwalt und Grünen-Politiker, Kirchensteuer zahlt er nicht mehr. Ob er am 22. September im Bundestag sein wird, wenn Benedikt XVI. dort redet, weiß Ströbele noch nicht. Begeistert ist der Bundestagsabgeordnete aus Berlin-Kreuzberg von dem Auftritt auf keinen Fall. „Der Papst soll Messen feiern, wann und wo er will“, sagt Ströbele dem Tagesspiegel, „in der Kirche, auf der Wiese, von mir aus auch im Olympiastadion. Aber er sollte nicht im Deutschen Bundestag reden. Wir haben eine Trennung von Kirche und Staat.“ Ströbele stört nicht nur, dass der Bundestag für den Papst seine Sitzungswoche verschoben hat. Auch inhaltlich vertrete Benedikt XVI. „problematische Standpunkte“ – ob es nun um Kondome oder Homosexualität geht.

Mit seiner Kritik ist Ströbele im Bundestag nicht allein. Die Gruppe „Laizisten in der SPD“ um den sächsischen Abgeordneten Rolf Schwanitz kritisiert eine „Verkirchlichung der Politik“. Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck sagt, seine Fraktion habe als einzige im Ältestenrat Bedenken gegen die Papst-Rede angemeldet. Er erwarte von „Herrn Ratzinger“, dass „er sich bei Themen der deutschen Innenpolitik zurückhält – so wie dies von jedem anderen Staatsoberhaupt ebenso erwartet wird. Er ist als Staatsmann und nicht als Schulmeister in Sachen Familienrecht oder Sexualleben eingeladen“.

Er wollte als Kind selbst einmal Papst werden. Heute ist Hans-Christian Ströbele ein grünes Urgestein.
Er wollte als Kind selbst einmal Papst werden. Heute ist Hans-Christian Ströbele ein grünes Urgestein.

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Besonders kritisch ist die Stimmung in der Linksfraktion. Der religionspolitische Sprecher Raju Sharma sagt, er rechne damit, dass etwa die Hälfte der 76 Linken-Abgeordneten der Rede fernbleiben werde. „Wenn man es ernst meint mit der Trennung von Staat und Kirche, gehört kein Religionsführer ans Rednerpult.“ Nun aber will Sharma am 22. September im Parlament sein. „Grundsätzlich ist es immer gut, wenn man den Menschen zuhört, auch dann, wenn sie Papst sind. Ich höre mir das an.“ Mehrere Linken-Abgeordnete dagegen sind entschieden, der Rede fernzubleiben. Jan Korte sagt, er als Atheist habe nichts gegen Begegnungen des Papstes mit Politikern. „Im Bundestag hätte ich mir das nicht gewünscht.“ Die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke mit den Worten, der Papst sei „in jederlei Hinsicht“ sexualfeindlich. „Verbrecherisch finde ich, wie er sich zur Aidsverhütung verhalten hat über die Jahre.“ Der Abgeordnete Andrej Hunko nennt es einen „Skandal, dass die Kundgebung des Bündnisses ,Der Papst kommt’ vor dem Brandenburger Tor untersagt wurde“.

Das zwiespältige Verhältnis der Kirchen zur Linkspartei hat kürzlich der Berliner Politikwissenschaftler Sebastian Prinz – im Hauptberuf arbeitet er beim Erzbistum Berlin – herausgearbeitet. Demnach verhalten sich nur wenige Vertreter der Linkspartei „ausgesprochen kirchenkritisch beziehungsweise kirchenfeindlich“. Parteichef Klaus Ernst habe sein Wahlkreisbüro sogar von einem Diakon segnen lassen. Als „bekanntesten bekennenden Christen“ nennt Prinz in seinem Aufsatz den thüringischen Fraktionschef Bodo Ramelow, der sich auf den Besuch des Papstes in Thüringen „riesig“ freue. Dagegen werde der religionspolitische Sprecher Sharma die Funktion als „Transmissionsriemen“ zu den Kirchen „sicher nicht erfüllen können“ – eine Rolle freilich, in der sich Sharma gar nicht sieht.

Gelassener als viele Parlamentarier geben sich die Spitzen der Oppositionsfraktionen. Das „Hamburger Abendblatt“ zitiert SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Man muss nicht alle Überzeugungen des Papstes teilen, aber auf die Auseinandersetzung mit diesen Überzeugungen sollte man sich in jedem Fall freuen.“ Linken-Fraktionschef Gregor Gysi beschränkt sich auf inhaltliche Erwartungen: „Ich hoffe sehr, dass der Papst die Gier der Reichen und Spekulanten ebenso geißelt wie er die Armut der Menschen weltweit und besonders in der Dritten Welt kritisieren müsste.“ Auch müsse sich der Papst gegen den „Aberglauben“ wenden, „Diktaturen mittels Krieg bekämpfen zu können“. Die linke Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau sagt, zuweilen seien die Positionen des Papstes „für Linke schwer erträglich“. Andererseits, so Pau zum Tagesspiegel, gelte für sie auch: „Die Bergpredigt ist ein linkes Programm.“ Katrin Göring-Eckardt, ihre Kollegin von den Grünen, meint im Gespräch mit der Nachrichtenagentur epd, Auftritte eines Religionsführers müssten in einer Demokratie möglich sein: „Wenn ein Parlamentarier den Saal verlässt, wird das den Papst nicht aus der Fassung bringen.“

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