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Politik: Kroatien: Eine Nation auf der Suche nach ihrer Identität

Aus den Wirren der jugoslawischen Bürgerkriege sind die jüngsten Staaten Europas hervorgegangen. Es ist nicht leicht, sie in ihrem Selbstverständnis zu erfassen.

Aus den Wirren der jugoslawischen Bürgerkriege sind die jüngsten Staaten Europas hervorgegangen. Es ist nicht leicht, sie in ihrem Selbstverständnis zu erfassen. Ludwig Steindorff, Professor für Osteuropäische Geschichte in Kiel, hilft dabei für Kroatien. Er ist sich sicher, dass das Land nicht durch zersetzende Kriegstreiberei entstanden sei; die 4,5 Millionen Kroaten wären auch nach der Unabhängigkeitserklärung 1991 in einem lockeren Staatenbund Jugoslawien verblieben. Aber da, so Steindorff, gab es das Serbien des Slobodan Milosevic.

Trotzdem sind die Gemeinsamkeiten der Nachfolgestaaten Jugoslawiens nicht gering. Schon gar aus einer historischen Perspektive betrachtet. Der schnelle sozialistische Aufbau gehört dazu. Unter Tito konnte man sich vor der Hegemonie der Sowjetunion schützen; schließlich war der entscheidende Unterschied zu den Satellitenstaaten in Osteuropa, dass die Kommunisten in Jugoslawien ohne sowjetische Hilfe an die Macht gekommen waren. Sie waren aus den Einheiten der Partisanen im Zweiten Weltkrieg hervorgegangen. Die von den Nazis eingesetzte kroatische Regierung bildete sich aus der "Ustascha", einer 1930 begründeten Bewegung mit aggressivem antiserbischen und antisemitischen Auftreten. Diese Phase der kroatischen Geschichte durfte im Titoismus nie aufgearbeitet werden. Wer Held, wer Märtyrer, wer Verräter war, wurde diktiert. "In den Jahren der wachsenden Spannungen seit Mitte der achtziger Jahre ließ sich deshalb die Erinnerung an die Jahre 1941 bis 1945 als wirksames Mittel zur Mobilisierung von Feindbildern verwenden."

Als Klammer für einen kroatischen Staat werden heute auch frühere Zeiten herangezogen. Das kroatische Ringen um Anerkennung hatte schon in der Habsburgermonarchie mehr oder minder taugliche Identifikationsfiguren hervorgebracht. Graf Josip Jelacic - als Reiterstandbild in der kroatischen Hauptstadt Zagreb zu besichtigen - etwa, der 1848/49 den Status der Kroaten zu verbessern versuchte. Der Verfasser reist zurück bis ins Mittelalter und lässt keine Spur unverfolgt (auch die nicht, die über das Halstuch der kroatischen Soldaten im Begriff "Krawatte" führt).

Ansonsten spinnt er wenig Fäden in die Gegenwart. Das stellt nicht immer zufrieden: Zu Franjo Tudjman, kroatischer Staatspräsident bis 1999, hätte man gern deutlicheres gehört. Dieses Buch, als achter Band in einer Länderreihe zur Geschichte Ost- und Südosteuropas erschienen, ist klassische Geschichtsschreibung - ohne Wagemut, aber auch ohne wacklige Schlüsse.

Mareile Ahrndt

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