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KSE-Abkommen: Putins 150-Tage-Ultimatum

Russlands Präsident drängt den Westen zur Ratifizierung des KSE-Abkommens. Außenminister Steinmeier gibt sich besorgt.

Angedroht hatte Putin sie bereits in seiner Jahresbotschaft an das Parlament Ende April: die Aussetzung der Abkommen über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE). Am Samstag ließ er den Worten Taten folgen: Wenn die europäischen Nato-Staaten den Vertrag nicht innerhalb von 150 Tagen ratifizieren, werde Russland den Vertrag per Moratorium außer Kraft setzen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußerte sich besorgt über die Ankündigung. Das Abkommen bleibe ein zentraler Bestandteil der internationalen Abrüstungsarchitektur, sagte er bei einem Besuch im litauischen Nidden. Er hoffe sehr, dass die internationale Staatengemeinschaft mit Russland im Gespräch bleibe, wie die Verhandlungen wieder in Gang gebracht werden können.

Das KSE-Abkommen von 1990 sah für beide Blöcke Obergrenzen bei fünf Waffengattungen vor: Panzer, Panzerfahrzeuge, Artillerie mit Kalibern über 100 Millimeter, Kampfflugzeugen und Angriffshubschraubern. Wegen der Auflösung des Ostblocks wurde das KSE-Abkommen auf der OSZE-Tagung 1999 in Istanbul modifiziert. An die Stelle der Ost-West-Balance trat ein fein austariertes System regionaler Stabilität.

Anders als Russland ratifizierte die Mehrheit der Nato-Staaten die modifizierten Abkommen jedoch nicht. Der Grund war die Weigerung Moskaus, seine Truppen aus Moldawiens abtrünniger Slawenregion Transnistrien abzuziehen. Entsprechende Verhandlungen treten seit Jahren auf der Stelle. In seiner gegenwärtigen Form, so Putin schon im April, lege das KSE-Abkommen Russland faktisch Begrenzungen für Truppenbewegungen im eigenen Lande auf. Dennoch habe Moskau dessen Bestimmungen sogar während des Tschetschenienkriegs erfüllt. Die Nato dagegen habe sich trotz anderslautender Versprechen gegenüber Gorbatschow und später Jelzin bis an die Grenzen Russlands ausgedehnt.

Noch mehr in Rage brachten den Kreml Pläne der USA, Teile seiner Raketenabwehr in Mittelosteuropa und damit unmittelbar an den Grenzen zu Russland zu stationieren. Putins Angebot, für die Abwehr von Raketenangriffen durch Staaten wie Iran ein von Moskau gepachtetes Radar in der Kaukasusrepublik Aserbaidschan zu nutzen, lehnen die USA ab.

Das und Truppenstationierungen, wie sie die Nato in Rumänien und Bulgarien und damit an der einstigen Südwestgrenze der Sowjetunion plant, meinte Putin wohl auch mit jenen „außerordentlichen Umständen, die unaufschiebbare Maßnahmen“ erfordern. Mit eben diesen Worten begründete er offiziell das KSEMoratorium. Russland sei jedoch bereit, unter das Dach des Abkommens zurückzukehren, wenn die Europäer „bestimmte Bedingungen erfüllen“ – die Ratifizierung der in Istanbul beschlossenen Modifizierungen. Eine Rückkehr zu Blockkonfrontation und Kaltem Krieg halten hiesige Experten dennoch für ausgeschlossen – vor allem wegen der inzwischen engmaschigen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Russland und EU.

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