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Kuba

© AFP

Kuba: Die ewige Revolution

Vor 50 Jahren stürzte Fidel Castro die Batista-Diktatur - die Gedenkfeier wird ohne den Helden von damals stattfinden.

Von Michael Schmidt

Als der ehemalige Jesuitenschüler Fidel Castro 1956 im mexikanischen Exil an Bord des Motorboots „Granma“ geht, ist der unbedingte Wille, Kubas Diktator Batista zu vertreiben und selbst die Macht zu übernehmen, nicht seine einzige, aber seine stärkste Waffe. Zwei Jahre führt der Anwalt in olivgrüner Rebellenuniform von den Bergen der Sierra Maestra aus einen Guerillakampf, ehe er, gerade einmal 32-jährig, ans Ziel seiner Träume gelangt. Am Morgen des 1. Januar 1959 erklärt Batista den Gästen seiner Silvesterparty im Präsidentenpalast von Havanna seinen Rücktritt – und flieht noch in derselben Nacht mit Koffern voller Geld in die Dominikanische Republik.

In einem Triumphzug sondergleichen zieht das erfolgreiche Dreigestirn – Fidel das „Herz“, sein Bruder Raul die „Faust“ und Che Guevara das „Hirn“ des Befreiungskampfes – über die Insel. Menschentrauben umlagern den Sherman-Panzer, auf dem der „Comandante en Jefe“ im Konvoi durch die Straßen fährt. In Havanna überhäuft man den „Barbudo“, den bärtigen Guerillero, mit hymnischen Ovationen und Jubel. Was sich auf den Straßen und Plätzen abspielt, ist alles zugleich: eine Sieges- und Karnevalsfeier, eine politische Manifestation und ein Freudenfest. Der Kampf gegen die Diktatur ist zu Ende. Die Revolution kann beginnen.

Während seiner Rede lassen Anhänger weiße Tauben aufsteigen, von denen sich eine auf die linke Schulter des Comandante setzt – in diesem Moment glauben manche in Fidel Castro eine christusähnliche Erscheinung zu erblicken, andere sehen in ihm einen Liebling der Götter, die ihn gesandt haben, um Kuba zu retten und zu führen.

Das tut er dann fast fünf Jahrzehnte lang. Seit 1959 hat er die Geschicke des Inselstaates de facto als Alleinherrscher geprägt. Auf der internationalen Bühne vertrat er die Interessen der Dritten Welt, der Bewegung der Blockfreien und der Gegner der Globalisierung. Bis heute inspiriert er Nachahmer wie Venezuelas Präsidenten Hugo Chavez in ihrem Bestreben, den verhassten USA die Stirn zu bieten. Castro hat zehn US-Präsidenten buchstäblich überlebt. Nicht wenige versuchten, den Missliebigen zu beseitigen. 600 Attentatspläne soll es gegen ihn gegeben haben. Wenn es eine olympische Disziplin „Überleben von Attentaten“ gäbe, soll er gesagt haben, dann wäre er allemal der Sieger.

Das Reformprogramm, das Castro und seine Getreuen nach 1959 umzusetzen beginnen, setzt vor allem auf Wohnraum, mehr Bildung für alle und eine Ausweitung der kostenlosen medizinischen Hilfe auch in entlegenere Inselteile. Mit dem Export von Lehrern und Ärzten wird Kuba zu einem Entwicklungsland, das Entwicklungshilfe leistet. Folgenreich ist die rasch angegangene Agrarreform. Die Enteignung von Großgrundbesitzern und ausländischen Firmen löst in den USA einen Sturm der Entrüstung aus. Denn es sind vor allem US-Amerikaner, denen große Teile der landwirtschaftlichen Nutzflächen auf der grünen Insel gehörten.

Ironie der Geschichte: Das daraufhin verhängte US-Wirtschaftsembargo gegen Kuba ist es, das den „Maximo Lider“ Castro in die Arme der kommunistischen Sowjetunion treibt. Die Farbe der Revolution sei nicht Rot, sondern Olivgrün wie die Uniformen der Rebellenarmee, hatte Castro noch 1959 gesagt. Doch nach Verhängung des Embargos 1960 braucht Kuba einen Ausgleich: Dessen Außenhandel war bis dahin zu 80 Prozent an die USA gebunden und wurde nun auf null reduziert. Die Annäherung an die Sowjetunion ist mithin keine Liebesheirat, sondern eine Vernunftehe. Ausgerechnet im Wechselspiel mit der Politik Washingtons also radikalisiert sich die kubanische Revolution von einer sozialen zu einer sozialistischen. Für Kuba bedeutete dieser Schritt das Eintauschen einer alten gegen eine neue Abhängigkeit. Was nach 1989, mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch des Ostblocks, verheerend deutlich wurde, als dem Inselstaat erneut der eine große Partner von jetzt auf gleich abhanden kam.

Während für die einen wie die USA, der kubanische Revolutionär ein Störfaktor war, entwickelte er sich für andere zu einer Projektionsfläche politischer Sehnsüchte, Utopien und Träume. Das kubanische Experiment weckte weltumspannend alle möglichen Hoffnungen. Es faszinierte die linke Intelligenz in Westeuropa und den USA – auch, wie Castro-Biograf Frank Niess schreibt, wegen seiner politischen Geografie: Hier konnte ein „tropischer Sozialismus“ unter Palmen, im karibischen Ambiente entstehen, als wäre die Insel das „verlorene Paradies“. Man feierte es umso mehr, als es ein Experiment war, das vor dem Abgleiten in die ideologische Starre des Realsozialismus osteuropäischer Prägung gefeit zu sein schien.

Doch das erwies sich als eine Täuschung, die bei vielen zu Enttäuschung führte als klar wurde: Unter Castro wird es keine freien Wahlen geben. Auch unter seinem Nachfolger, Bruder Raul, der 2006, als Fidel erkrankt ausfiel, dessen Ämter übernahm, herrscht die Zensur, sind Meinungs- und Versammlungsfreiheit gefährdet. Hunderte von Oppositionellen wurden seit 1959 eingesperrt und zu horrenden Haftstrafen verurteilt, zum Teil gar hingerichtet. Vier Fünftel der kubanischen Bevölkerung kennen nur dieses Regime, kennen nur Miss- und Mangelwirtschaft, das ewige Fehlen alltäglicher Dinge wie Seife, Zahnpasta, Butter, Tee, Strom und vielem mehr.

Wohl nicht ohne Koketterie hat Fidel Castro einmal, gefragt nach dem historischen Rang, den er sich selbst zuerkennen würde, gesagt: Er werde ein Seufzer in der Geschichte sein. Seinen Gegnern wie der populären Bloggerin Yoani Sanchez wäre das nur recht. Wie viele Kubaner sieht sie wenig Grund für große Feierlichkeiten am 50. Jahrestag der Revolution.

Die wird, der wirtschaftlichen Misere des Landes angemessen, wohl auch bescheiden ausfallen. Raul Castro lässt am Donnerstag, anders als früher üblich, keine Militärparade abhalten. Das Programm sieht nur eine Ansprache des Präsidenten in der einstigen Hauptstadt Santiago vor. Mit Fidels Erscheinen wird nicht gerechnet. Mit einer verstärkten Diskussion über sein politisches Erbe schon. Nach den Feierlichkeiten.

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