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Politik: Lahme Ente Villepin

Frankreichs Premierminister hangelt sich von Eklat zu Eklat – und demontiert sich selbst

Nach einer emotionalen Attacke gegen Oppositionschef François Hollande ist der umstrittene französische Premierminister Dominique de Villepin selbst in den eigenen Reihen unter Druck geraten. In Sprechchören forderten die Sozialisten im Parlament am Dienstag seinen Rücktritt, nachdem dieser Hollande in einer parlamentarischen Fragestunde am Dienstag der „Feigheit“ bezichtigt hatte. Hollande hatte von Villepin Auskunft darüber verlangt, ob dieser immer noch den unter Beschuss geratenen EADS-Ko-Chef Noël Forgeard unterstütze.

Zehn Monate vor der Wahl eines neuen Staatsoberhaupts versinkt Frankreich immer tiefer in politischer Lähmung. Der Regierung läuft die eigene Partei davon, die Beschäftigten der Gaswerke streiken – einzig mit der Eröffnung des neuen Völkerkundemuseums am Quai Branly in Paris setzte Präsident Jacques Chirac einen kleinen Glanzpunkt, vermutlich den einzigen von Dauer, seiner ausgehenden Amtszeit.

Ausdruck findet die schwelende Krise auch im Rückzug bei der geplanten Privatisierung des Energieversorgers Gaz de France (GdF). Villepin wollte sie eigentlich noch im Juli durchs Parlament bringen. Gegen das Vorhaben hatte sich aber in der Regierungspartei UMP eine offene Rebellion gebildet. Die Kapitalöffnung der noch staatlich kontrollierten GdF war die Voraussetzung für die Fusion mit dem Mischkonzern Suez. Villepin hatte den Plan für diesen Zusammenschluss am 25. Februar sozusagen aus der Tasche gezaubert, um die Übernahme der Suez- Gruppe durch das italienische Energieunternehmen Enel abzuwehren. Die Idee eines französischen Energieriesen unter Führung von GdF entsprach dem von Villepin propagierten „ökonomischen Patriotismus“. Sie hatte nur den Fehler, dass die Regierung dazu ihr erst vor einem Jahr den Gewerkschaften gegebenes Versprechen brechen müsste, weder GdF noch den Elektrizitätskonzern Electricité de France (EdF) zu privatisieren. Für den Bruch dieses Versprechens aber wollen die UMP- Deputierten nicht den Kopf hinhalten.

Nun hat es der Premier nicht mehr eilig. Erst im Herbst soll das Projekt ins Parlament kommen, ließ er erklären, um den Abgeordneten Zeit zum Überlegen zu geben. Das kommt einem Begräbnis gleich. Nach dem Aufruhr in der Banlieue, den Protesten gegen seine Beschäftigungsreform, der weiter ungeklärten Clearstream-Affäre und nun diesem Rückzug erscheint es fraglich, ob Villepin noch die Autorität hat, selbst kleinste Reformen durchzusetzen. Das Problem ist offenkundig nicht Gas de France, sondern Villepin. Nur 23 Prozent der Franzosen sind laut Umfragen mit seiner Amtsführung einverstanden. Besonders groß ist die Unzufriedenheit in den eigenen Reihen.

Die meisten UMP-Deputierten stehen zu dessen Rivalen, dem Parteichef und Innenminister Nicolas Sarkozy. Sie verweigern dem unpopulären Villepin die Gefolgschaft, weil sie eine Pleite der Rechten befürchten, wenn dieser bis 2007 im Amt bleibt. Doch der Gedanke eines Rücktritts liegt Villepin fern, und Chirac hält „wie ein Monarch“, so ein Vertrauter Sarkozys, weiter an ihm fest. Der Preis könnte hoch sein. „Chiracs Präsidentschaft“, merkt „Le Monde“ an, „droht im Fiasko zu enden.“

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