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Politik: Landesvater in Schwarz-Rot

Peter Harry Carstensen regiert seit hundert Tagen

Kiel/Berlin Wäre es anders gekommen, Peter Harry Carstensen würde demnächst wohl dem Kompetenzteam von Angela Merkel angehören, wieder als Landwirtschaftsfachmann, wie schon im Kompetenzteam von Edmund Stoiber vor drei Jahren. Aber nun ist Carstensen, der Experte fürs Ländliche, Ministerpräsident in Kiel und damit Generalist. Eine Rolle, die ihm behagt. Hundert Tage ist Carstensen in Schleswig-Holstein im Amt, und seine große Koalition mit der SPD scheint zu funktionieren – jedenfalls sind die Knirschgeräusche so leise, dass sie nicht bis in die große Politikzentrale nach Berlin dringen. Angesichts der Geburtsumstände ist das nicht unbedingt zu erwarten gewesen – die SPD hatte sich schon mit Grünen und Dänenpartei SSW verständigt, dann aber fehlte Ministerpräsidentin Heide Simonis im Februar eine Stimme, worauf die Sozialdemokraten sich dazu bequemen mussten, als Juniorpartner in eine Koalition mit Carstensens CDU einzutreten.

Und „PHC“, wie der joviale Christdemokrat aus Nordfriesland genannt wird, hat schnell gelernt, wie man solche Koalitionen führt: ausgleichend, präsidial, auf Distanz zu Ministerquerelen und stets im Land präsent. Derzeit etwa tingelt Carstensen auf Sommertour durch Städtchen und über die Inseln in seinem kleinen Nordreich und gibt den Landesvater, als ob er schon seit Jahren nichts anderes macht. Den Streit überlässt er den Kabinettsmitgliedern, vor allem dem SPD-Innenminister Ralf Stegner und CDU-Wirtschaftsminister Dietrich Austermann. Stegner, eine ehrgeizige Kraft, die gut ist für Unruhezustände in der Regierung, wurde von Carstensen mit der Verwaltungs- und Gebietsreform betraut – eine Aufgabe, bei der viel schief gehen kann und mit der man sich bei Lokalpolitikern meist eher nicht beliebt macht.

Im Gegensatz zu den beiden anderen Neulingen in der Ministerpräsidentenriege der Union, Günther Oettinger und Jürgen Rüttgers, hält sich Carstensen bundespolitisch merklich zurück. Er sei nicht jemand, „der sein Bild jeden Tag in der Zeitung sehen muss“, sagt er. Dabei könnte seine schwarz-rote Koalition einmal als Vorbotin gesehen werden, sollte es im Herbst auch im Bund zu einem Bündnis von Union und SPD kommen. Carstensen hat jedoch früh davor gewarnt, in der Kieler Koalition mehr zu sehen als eine Vernunftehe. Deren Zweck besteht vor allem im Sanieren des Landeshaushalts, denn Schleswig-Holstein hat 21 Milliarden Euro Schulden (was eine der höchsten Pro-Kopf-Quoten unter den Ländern ergibt) – und im laufenden Etat fehlen schon wieder 500 Millionen. Da helfen nur massive Ausgabenkürzungen, die eine große Koalition leichter schultern kann. „Wir sind zum Erfolg verdammt“, sagte Carstensen nach seiner Wahl im Landtag am 27. April. Ob er am Ende auch verdammt erfolgreich sein wird? Die ersten hundert Tage geben noch keine Antwort. afk

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