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Nur eine von vielen Varianten. Tarek Al-Wazir (Grüne, links), Thorsten Schäfer Gümbel (SPD) und Janine Wissler (Linke) am vergangenen Freitag

© dpa

Langwierige Koalitionssondierungen: Hessen muss mit Regierungsbildung warten

Die Koalitionsgespräche in Hessen verzögern sich – es wird immer noch sondiert. Am Freitag wurden wieder mal die Chancen für Rot-Rot-Grün ausgelotet.

Das Ergebnis der dritten Sondierungsrunde von SPD, Grünen und Linken über eine mögliche Regierungsbildung in Hessen stand am Freitag bereits vor ihrem Beginn fest: Es wird ein weiteres Gespräch geben. Angesichts der vielen wichtigen Themen werde man wohl nicht zu einem Abschluss kommen, sagte SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel zum Auftakt. Linken-Fraktionschefin Janine Wissler widersprach ausdrücklich der Lesart, der SPD-Chef spiele offenbar auf Zeit: „Die Ernsthaftigkeit ist da“, sagte sie, man rede „lieber gründlich“ und stehe nicht unter Zeitdruck. Auch der Dritte im Bunde, Grünen-Chef Tarek Al-Wazir, bat um Geduld. Es sei „albern“, dass Beobachter in Ermangelung harter Fakten aus der schwarz-grünen Krawatte, die Ministerpräsident Volker Bouffier beim hessischen Unternehmertag getragen habe, Prognosen über den Ausgang des Koalitionsmikados in Hessen ableiteten.

Auch sechs Wochen nach der Landtagswahl gibt es in Wiesbaden keinerlei Anzeichen für eine zügige Regierungsbildung. CDU-Chef Bouffier, der die stärkste Partei führt, aber für die Mehrheitsbildung auf einen Partner angewiesen ist, hat seinen Zeitplan den Realitäten anpassen müssen. Ursprünglich hatte er noch im Oktober entscheiden wollen, ob er der SPD oder den Grünen Koalitionsgespräche anbietet. Stattdessen wird weiter sondiert. Mit den Grünen hat die CDU schon dreimal zusammengesessen. Das dritte geplante Gespräch von CDU und SPD musste auf kommende Woche verschoben werden, weil die beiden Landesvorsitzenden Bouffier und Schäfer-Gümbel in Berlin über eine große Koalition mitverhandeln. Schwarz-Rot gilt auch in Hessen als wahrscheinlichste Variante. Doch für die Bundes-CDU, deren stellvertretender Vorsitzende Bouffier ist, wäre ein schwarz-grünes Bündnis in Hessen nach dem Absturz des Dauerpartners FDP nicht ohne Reiz.

Nach den ersten Anlaufschwierigkeiten sind offenbar die Sondierungen zwischen CDU und Grünen auf einem guten Weg. Die Spitzenakteure, die in den erbitterten Auseinandersetzungen der Vergangenheit am anderen kein gutes Haar gelassen hatten, preisen inzwischen die konstruktiven und vertrauensvollen Gespräche. In der Finanz- und Bildungspolitik, ja sogar beim Straßenbau gebe es viele Gemeinsamkeiten, hieß es. Schwierigstes Thema bleibt die Weiterentwicklung des Frankfurter Flughafens. Die Grünen hatten die dritte Landebahn stets bekämpft und fordern jetzt zumindest eine Verlängerung des strikten Nachtflugverbots. Sie stellen sich gegen das geplante dritte Terminal, das bereits genehmigt ist. Das Land Hessen ist zwar größter Anteilseigner des Flughafens, doch der Betreiber unterliegt dem Aktienrecht. Es ist unwahrscheinlich, dass die CDU den Grünen in der Flughafenfrage so weit entgegenkommen kann und will, dass eine grüne Landesversammlung dem Verhandlungsergebnis zustimmt, und nur die entscheidet bei den hessischen Grünen über Regierungsbeteiligungen.

Eine große Koalition in Hessen ist also wahrscheinlicher. Beim Flughafen sind CDU und SPD nah beieinander, in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik ebenfalls. In der Energiepolitik gibt es Differenzen, die aber auch im Bund aufgelöst werden müssen. Lediglich in der Bildungspolitik gibt es große Meinungsunterschiede, die die Ideologen der jeweiligen Lager seit Jahrzehnten ausfechten. Doch angesichts des Sparzwangs und des demografischen Wandels, der die Schulversorgung auf dem flachen Land vor völlig neue Herausforderungen stellt, scheinen pragmatische Lösungen nötig und möglich.

Bouffier, der in Abgrenzung zu seinem Vorgänger Roland Koch seit seinem Amtsantritt eher den Versöhner als den Polarisierer gibt, würde sich gerne als Stifter eines Schulfriedens profilieren. Doch noch haben SPD, Grüne und Linke ihren Traum vom „Politikwechsel“ nicht ausgeträumt. Al-Wazir würde die hessischen Linken gerne dem „Realitätscheck“ einer Regierungsbeteiligung aussetzen. Angesichts leerer Kassen und der in der Verfassung festgelegten Schuldenbremse müssten die Linken ein realistisches Regierungsprogramm verlässlich mittragen, verlangt auch SPD-Chef Schäfer-Gümbel.

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