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© AFP

Lateinamerika: Guatemalas letzte Chance

Elf Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs hat Guatemala gewählt – 51 Menschen starben im Wahlkampf.

Von Michael Schmidt

Als am gestrigen Sonntag die Guatemalteken zur Wahl gingen, um ein neues Staatsoberhaupt, das Parlament und die Bürgermeister zu bestimmen, waren mehrere der ursprünglichen Kandidaten bereits tot. In einem äußerst gewalttätigen Wahlkampf wurden bis zum Kampagnenschluss am Freitag nach Zählung der Tageszeitung „La Hora“ 51 Bewerber, Familienangehörige und Parteimitglieder ermordet. Elf Jahre nach dem Ende eines 36-jährigen Bürgerkrieges, der 200 000 Menschen in Guatemala das Leben kostete, sprechen in dem zentralamerikanischen Land nur noch wenige vom Frieden – viele jedoch von der letzten Chance.

Für die Bevölkerungsmehrheit hat die Ablösung der Militärdiktatur durch demokratisch gewählte Regierungen nicht viel geändert. Mit einer Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung von 2450 US-Dollar jährlich gilt Guatemala als eines der ärmsten Länder Lateinamerikas. Mehr als die Hälfte der 13 Millionen Guatemalteken leben laut offizieller Statistik in Armut, vor allem die überwiegend indianische Bevölkerung im Hochland. Die Kluft zwischen der reichen Unternehmerelite und den in Armut Lebenden ist extrem.

Wichtigstes Thema im Wahlkampf war die dramatisch gestiegene Alltagsgewalt, mit durchschnittlich 16 Morden täglich. Dazu kommen zahlreiche Entführungen und Überfälle, die Unterwanderung des Staates und seiner Institutionen durch die organisierte Kriminalität – und eine nahezu totale Straflosigkeit.

14 Kandidaten bewarben sich um das höchste Amt im Staat, darunter die Friedensnobelpreisträgerin und Angehörige des Volkes der Maya, Rigoberta Menchú. Es wird allgemein angenommen, dass die Präsidentschaftswahl erst durch eine Stichwahl am 4. November entschieden wird. Als Favoriten gelten der Sozialdemokrat Álvaro Colom von der Partei Nationale Einheit der Hoffnung (Une), der auf Justizreformen setzt und für Sozialprogramme und eine Politik der „solidarischen Hand“ plädiert. Die Gewalt habe ihren Ursprung im Elend und in der Ausgrenzung, sagt der 56-Jährige. Sein Konkurrent dagegen, Ex-General Otto Pérez Molina von der Patriotischen Partei (PP), dessen Soldaten während des Bürgerkriegs in den 80er Jahren mehrere Massaker unter der indianischen Urbevölkerung verübten, will das Land mit „harter Hand“ regieren und durch die Wiedereinführung der 2001 abgeschafften Todesstrafe und das Notstandsrecht befrieden.

Rigoberta Menchú, in Deutschland das wohl bekannteste Gesicht des zentralamerikanischen Landes, ist zwar die erste indianische Präsidentschaftskandidatin in der Geschichte des immerhin knapp zur Hälfte von Nachfahren der Maya bewohnten Landes, doch wurden ihr nur etwas mehr als drei Prozent der Stimmen vorausgesagt. Einstige Anhänger werfen Menchú vor, sich von den politischen Anliegen des Volkes und den sozialen Bewegungen entfernt zu haben.

Die Regierung hatte 30 000 Soldaten und Polizisten mobilisiert, um den Zugang zu den rund 2000 Wahllokalen zu gewährleisten. Die EU hat 110 Wahlbeobachter nach Guatemala entsandt. Bis Montag früh galt in Guatemala zudem ein striktes Alkoholverbot.

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