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Politik: Lauschangriff verstößt gegen die Menschenwürde

Verfassungsgericht schränkt Abhören in Wohnungen massiv ein / Zypries will jetzt auch Regeln zu Telefonüberwachung prüfen

Karlsruhe/Berlin (neu/fk). Die Gesetze zum Abhören von Wohnungen sind in weiten Teilen verfassungswidrig. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch entschieden. „Die vertrauliche Kommunikation benötigt einen räumlichen Schutz, auf den die Bürger vertrauen können“, hieß es zur Begründung. Der so genannte Große Lauschangriff müsse deshalb bis zum Juni 2005 neu geregelt werden.

Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) kündigte dazu Vorschläge an. Die Möglichkeit zum Abhören solle jedoch erhalten bleiben. Dem Tagesspiegel sagte sie, auch die Regeln zur Telefonüberwachung würden überprüft. GrünenPolitiker begrüßten das Urteil. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) kritisierte dagegen die „Tendenz, die Rechte des Individuums auszudehnen und den Schutz der Allgemeinheit zu reduzieren“.

Der Lauschangriff war 1998 noch während der CDU/FDP-Regierung unter Helmut Kohl mit den Stimmen der SPD ins Grundgesetz aufgenommen worden. Seitdem dürfen Ermittler bei bestimmten Straftaten und mit richterlicher Genehmigung in Wohnungen Abhör-Wanzen platzieren. Dagegen waren sieben Beschwerdeführer vor Gericht gezogen, darunter die FDP-Politiker Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gerhart Baum und Burkhard Hirsch. Leutheusser-Schnarrenberger war deshalb im Streit mit ihrer Partei 1995 als Justizministerin zurückgetreten.

Die Richter des Ersten Senats erklärten die Grundgesetzänderung selbst für verfassungsgemäß. Allerdings ermächtige sie nur eingeschränkt zu Überwachungsmaßnahmen – „nämlich nur zu solchen, die die Menschenwürde wahren“. Der Einzelne soll keine Angst haben müssen, dass staatliche Stellen den Kernbereich seiner privaten Lebensgestaltung überwachten. Gespräche im Familienkreis dürften nur in Ausnahmefällen belauscht werden. Als verfassungswidrig verwarfen die Richter viele Bestimmungen der Strafprozessordnung, die den Lauschangriff näher regeln. So muss die richterliche Anordnung besser begründet werden. Außer dem Beschuldigten sind später zudem auch der Inhaber oder andere Bewohner einer Wohnung von der Aktion zu benachrichtigen.

Zwei Richterinnen des ersten Senats wandten sich in einem Minderheitenvotum gegen das Urteil. Ihrer Meinung nach ist die Erlaubnis des Lauschangriffs im Grundgesetz selbst schon verfassungswidrig. Sie enthalte keine klaren Grenzen, und es sei fraglich, ob der Gesetzgeber überhaupt welche gewollt habe.

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