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Politik: Laut Greenpeace könnte Russland mit reparierten Öl- und Gasleitungen leicht auf Kernkraft verzichten

Würden Förderung und Transport von russischem Öl und Gas technisch verbessert, könnte Russland problemlos auf den Einsatz von Kernenergie verzichten. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Greenpeace, die am Dienstag anlässlich des 14.

Würden Förderung und Transport von russischem Öl und Gas technisch verbessert, könnte Russland problemlos auf den Einsatz von Kernenergie verzichten. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Greenpeace, die am Dienstag anlässlich des 14. Jahrestages der Katastrophe von Tschernobyl vorgestellt wurde. In dem Atomkraftwerk, das heute zur Ukraine gehört, explodierte am 26. April 1986 einer der insgesamt vier Reaktoren und sorgte für eine flächendeckende nukleare Verseuchung, von der auch Gebiete im Südwesten Russlands und Weißrusslands betroffen wurden. Mehrere Dörfer und die Stadt Pripjet, die knapp vier Kilometer vom Unglücksort entfernt liegen, sind bis heute Sperrgebiet und können nach Einschätzung von Experten frühestens in 300 Jahren wieder besiedelt werden.

Die Ursachen des Super-Gaus, der als bisher schwerster Reaktorunfall in die Geschichte der Kernenergie eingegangen ist, sind bis heute nicht restlos geklärt. Experten machen für die Katastrophe neben Fahrlässigkeit des Bedienungspersonals auch technische Unzulänglichkeiten des Reaktors verantwortlich. Dieser war ursprünglich nur für die militärische Forschung konstruiert worden. Leere Staatskassen bewogen die marode Sowjetunion jedoch zu einem zivilen Einsatz, um die Energieprobleme zu lösen.

Konsequenzen zog Moskau aus dem Unfall bis heute nur bedingt. Noch im vergangenen Jahr wurden etwa 54 Prozent der nuklearen Elektrizität durch Anlagen vom Typ RBMK produziert. Eben jener Reaktor, den auch internationale Experten als "besonders gefährlich" einstufen, führte vor vierzehn Jahren die Katastrophe in Tschernobyl herbei. Der Greenpeace-Atomexperte Veit Bürger warnte, die meisten Anlagen seien "eine tickende Zeitbombe". Die meisten russischen Atommeiler seien nicht nachrüstbar und hätten kein ausreichendes Notkühlsystem. Die Sicherheitssysteme seien miteinander verkoppelt, so dass beim Zusammenbruch nur eines Systems kein Schutz mehr vorhanden sei. Sicherheitsgefahren drohten auch durch den "Faktor Mensch". So hätten Arbeiter aus der Not heraus Kabel aus den Reaktoren gestohlen, um sie zu verkaufen.

Insgesamt sind gegenwärtig in neun russischen Atomkraftwerken 29 Reaktoren in Betrieb, die jährlich eine Gesamtleistung von etwa 110 Milliarden kWh erbringen, rund 13 Prozent der in Russland produzierten Energie. Zwar überwiegen inzwischen Reaktoren des moderneren Typs WWER-1000. Doch auch diese stellen wegen ihres hohen Alters bereits jetzt erhebliche Sicherheitsrisiken dar. Bis zum Jahr 2010 sollen 15 Reaktoren mit einer Leistung von insgesamt 8800 MW abgeschaltet werden. Die restlichen Blöcke mit einer Leistung von 12 400 MW sollen zwischen 2011 und 2019 vom Netz gehen. Um die Verluste zu kompensieren, sind zur Zeit vier neue Atomkraftwerke im Bau. Eines davon - im zentralrussischen Kursk - wird erneut mit dem Tschernobyl-Reaktor ausgerüstet. Geld dafür soll auch von westlichen Investoren kommen. Das könnte laut Greenpeace sinnvoller ausgegeben werden.

Jährlich, so die Studie, gehen in Rußland zehn bis 20 Millionen Tonnen Öl und sechs bis 50 Milliarden Kubikmeter Erdgas durch Lecks in den Pipelines verloren. Zusätzlich werden in den Ölfeldern 18 Milliarden Kubikmeter Begleitgas abgefackelt. Das sind Verluste, die ausreichen würden, das Doppelte der in Atomkraftwerken erzeugten Elektrizitätsmenge zu produzieren.

Greenpeace hat daher russische und westliche Investoren aufgefordert, Mittel, die für Nachrüstung alter und gefährlicher Reaktoren oder den Bau neuer Anlagen vorgesehen sind, lieber in die Erneuerung und Verbesserung der Infrastruktur im Öl- und Gassektor zu pumpen. Zumal die Lecks bereits verheerende Auswirkungen auf die Umwelt haben. Durch austretendes Öl sind mehrere Flüsse und Weideland in der subarktischen Tundra nachhaltig verseucht. Dort leben vor allem kleine und kleinste Völker, deren Lebensgrundlage inzwischen extrem gefährdet ist.Mehr zum Thema im Internet unter: www.greenpeace.de

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