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Politik: Leider verloren

Ein Berater Kerrys hat geheime Dokumente zum 11. September eingesteckt – jetzt sind sie verschwunden

Er war hoch gehandelt worden. In einer neuen, demokratischen US-Regierung unter Präsident John Kerry sollte er dem Kabinett angehören, vielleicht sogar als Außenminister. Nun ist er tief gefallen. Oder besser gesagt: Er hat sich selbst tief gestürzt. Am Dienstag trat Samuel R. Berger, „Sandy“ genannt, von Kerrys Wahlkampagne zurück. Gegen den Sicherheitsberater von Ex-Präsident Bill Clinton ermittelt die amerikanische Bundespolizei FBI. Ihm wird vorgeworfen, geheime Unterlagen zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 aus dem Nationalarchiv in Washington entfernt zu haben.

Einen schlechteren Zeitpunkt hätte es aus Sicht des Kerry-Teams kaum geben können. Am heutigen Donnerstag veröffentlicht die Unabhängige Kommission zu den Anschlägen vom 11. September ihren Abschlussbericht. Die Demokraten hatten gehofft, dies werde ihnen als Munition gegen die Regierung von George W. Bush dienen. Die Affäre überlagert nun die Kommissionsergebnisse. Zudem beginnt am nächsten Montag in Boston der Nominierungsparteitag der Demokraten. Es ist Kerrys letzte große Chance vor den TV-Duellen, sich der Nation zu präsentieren.

Am 2. September und am 2. Oktober 2003 saß Berger im Nationalarchiv und studierte Tausende von Seiten darüber, wie die Clinton-Regierung auf die Bedrohungen durch das Terrornetzwerk Al Qaida reagiert hatte. Er tat dies im Auftrag Clintons. Berger sollte die Unterlagen sichten, um auszuwählen, welche davon der 9/11-Kommission vorgelegt werden sollten. Außerdem beriet er in dieser Frage das Weiße Haus. Speziell ging es um die Millenniumsfeiern im Dezember 1999. Die waren mit dem Begriff „Codeword“ versehen worden, der höchsten Geheimhaltungsstufe.

Zahlreiche dieser hochgeheimen Dokumente hat Berger gesetzeswidrig eingesteckt. Das hat er selbst inzwischen zugegeben. Handschriftliche Notizen seiner Lektüre habe er, ohne sie den Mitarbeitern des Nationalarchivs vorzulegen, mitgenommen. Das sei ein Fehler gewesen, den er zutiefst bereue. Brisanter indes dürfte die Frage sein, ob er auch Geheimunterlagen selbst absichtlich einsteckte und einige davon später vernichtete. Dass dies geschah, ist unstrittig. Berger jedoch sagt, dies sei unabsichtlich geschehen, ein Versehen, eine Schlamperei. „Ich hatte nie die Absicht, der Kommission Dokumente vorzuenthalten.“

Berger galt immer schon als etwas zerstreut. Andererseits wusste er, dass jede Entwendung geheimer Dokumente streng verboten ist. So lästerte das „Wall Street Journal“ , dies sei eine Ausrede à la „Mein Hund hat meine Schularbeiten gegessen“. Doch nicht nur konservative Medien stürzen sich auf die Geschichte. Berger war einer der wichtigsten außenpolitischen Berater von Kerry. Er hat ihn über den Irakkrieg und den Nahen Osten informiert, ihm beim Redenschreiben assistiert, Artikel für ihn verfasst. Und eines der Topthemen war der Kampf gegen den Terror.

„Herr Berger hat uns viel zu erklären“, sagte am Dienstag Dennis Hastert, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses. „Er durfte diese Dokumente einsehen, um der 9/11-Kommission zu helfen, nicht aber, um Informationen vor ihr zu verbergen. Die Amerikaner und die Angehörigen der Terroropfer wollen keine Vertuschungen im Krieg gegen den Terrorismus. Sie wollen die Wahrheit.“

Mitarbeiter des Nationalarchivs hatten das Fehlen der Dokumente bemerkt. Darauf angesprochen, gab Berger einen Teil zurück, einen anderen habe er „offenbar versehentlich weggeworfen“, wie er sagt. Im Januar 2004 leitete das FBI Ermittlungen ein. Das Kerry-Team beteuert, bis vor wenigen Tagen nichts von der Sache gewusst zu haben.

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