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Gauck bei seinem Auftritt in Fürth: „Jetzt machen wir bald Feierabend. Ich muss mich schonen, ich habe noch ein anstrengendes Leben vor mir.“

© dpa

Lesung in Fürth: Gauck gibt sich betont unamtlich

Bei seinem ersten öffentliche Auftritt seit der Kandidaten-Kür will der designierte Bundespräsident Joachim Gauck nicht über sein zukünftiges Amt reden.

„Jetzt machen wir mal Schluss“, sagt Joachim Gauck. „Wir sehen uns wieder, und darauf freue ich mich.“ Es ist Freitagabend in Fürth – erstmals seit klar ist, dass er neuer Bundespräsident wird, tritt der 72-jährige ehemalige Pfarrer und DDR-Bürgerrechtler in der Öffentlichkeit auf. Es ist zugleich das letzte Mal bis zu seiner Wahl am 18. März. Entsprechend groß ist das Medieninteresse. Ein historischer Abend? Und warum in Fürth?

Schon vor einem Jahr war der Termin mit dem Theater „Comödie“ vereinbart worden. Es ist eine Lesung aus Gaucks Buch „Winter im Sommer – Frühling im Herbst.“ Zugleich ist es der einzige Termin, den Gauck nach den jüngsten Entwicklungen nicht abgesagt hat. Womöglich hat seine Lebensgefährtin Daniela Schadt die Finger mit im Spiel, denn die Politikjournalistin arbeitet und lebt im nahegelegenen Nürnberg.

Ein Abschied vom Privatmenschen Gauck vor 400 Zuhörern. Zu seiner künftigen Präsidentschaft sagt er nichts – dafür gibt er nochmals Einblicke in sein graues, trostloses und doch auch erfüllenden Leben als Regimegegner in der untergegangenen DDR. Er klagt die „schwarze Schulpädagogik in Rot“ an, die die Menschen „ins Glied“ habe zwingen wollen. Er erzählt vom Schüler Gauck, der zu den sozialistischen Lehrinhalten „alles Lüge“ ins Klassenzimmer ruft. Er beschreibt, wie bei ihm trotzdem oder gerade deshalb „ein Kern entstanden ist“ – in der Opposition in der DDR-Diktatur. Und er sagt: „Irgendwie habe ich mich mit unserer Art von kleinem Glück abgefunden.“

Die letzte Lesung vor dem Amt – Gauck genießt sie. Er entfaltet seine Rhetorik mit dem pathetisch-pastoralen Untergrund. Gegen Ende meint er ironisch: „Jetzt machen wir bald Feierabend. Ich muss mich schonen, ich habe noch ein anstrengendes Leben vor mir.“ Auch ein Kommentar zum künftigen Amt. Nochmals beschwört er seine „Freude an der Freiheit“. Sie werde ihm „immer leuchten“.

Brandender, stehender Applaus. Der große Blumenstrauß geht an die Lebensgefährtin, die er als erstes küsst. Er wirbt, einen Tag nach dem Gedenktag für die Nazi-Opfer, für seinen Verein „Gegen Vergessen – für Demokratie“. Ein bisschen redet er noch, stehend mit Mikrofon in der Hand, Fragen sind nicht vorgesehen. Was er sage, werde künftig „so viel anders auch nicht klingen“. Er ruft dazu auf, „ein Deutschland zu schaffen, in dem viele Menschen ein Herz haben“. Er selbst werde „lernen, mich auf andere schöne Arten der Begegnung zu freuen“. Eine tiefe Verbeugung, als nächstes werden die Bürger ihn als Bundespräsidenten im Schloss Bellevue erleben.

Dann dürfte es private Momente wie den in Fürth nicht mehr so geben. Denn es war ein bemerkenswerter Moment, als Gauck seine Tochter Gesine völlig überraschend dem Publikum vorstellte. Als er aus dem Buchkapitel las, in dem er den Entschluss seiner Tochter schilderte, anders als ihre Brüder in der DDR zu bleiben, warf er der in der ersten Reihe sitzenden Frau einen Blick zu und bat sie aufzustehen: „Das ist meine Tochter Gesine. Sie ist extra aus Bremen gekommen, um ihren Vater lesen zu hören.“ (mit dpa)

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