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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (59) ist seit 2009 wieder Justizministerin der schwarz-gelben Koalition. Sie hatte dieses Amt schon einmal von 1992 bis 1996 inne. Damals trat sie wegen der Konflikte um den sogenannten großen Lauschangriff von ihrem Amt zurück. Sie ist zudem FDP-Chefin in Bayern.

© Thilo Rückeis

Leutheusser-Schnarrenberger: "Es gibt kein pauschales Durchwinken"

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger über den Koalitionsstreit in der Rechts- und Innenpolitik

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, welche schwarz-gelbe Koalition ist momentan die schwierigere für die Liberalen, die in Bayern mit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) oder die in Berlin mit Angela Merkel (CDU)?

Als CSU-Chef ist Horst Seehofer auch ein wichtiger Akteur in der Koalition im Bund, das darf man nicht vergessen. Wir haben zwei unterschiedliche Konstellationen. In der Koalition in Bayern gibt es immer wieder ein bisschen Gerempel und auch atmosphärische Spannungen. Aber insgesamt haben wir dort nach zweidreiviertel Jahren eine gute Bilanz. In der Koalition in Berlin müssen wir nach einer schwierigen Phase durch gute Sacharbeit überzeugen. Auch hier steht die CSU mit in der Verantwortung. Ich denke etwa an die europakritische Attacke des CSU-Generalsekretärs Alexander Dobrindt. Er versucht Sand ins Getriebe der Euro-Rettung zu streuen. Das fördert weder unsere Handlungsfähigkeit noch stärkt es das Vertrauen der Bürger in unsere Arbeit. Wir müssen in Berlin unsere Verantwortung ernst nehmen und bis 2013 eine Politik gestalten, die Deutschland in diesen schwierigen Zeiten gut positioniert.

Das klingt wie eine Mahnung an alle drei Koalitionspartner, bis 2013 durchzuhalten. Haben Sie Zweifel, dass das gelingen könnte?

Der Wille ist bei allen Koalitionspartnern vorhanden. Wir müssen aber auch ganz deutlich machen, dass die schwarz-gelbe Koalition in diesen schwierigen Zeiten in der Lage ist, die richtigen Weichen zu stellen. Ich denke an die Euro-Rettung oder die Energiewende. Manche Zurufe aus der Union tragen nicht eben zu einem guten Koalitionsklima bei, denken Sie nur an den Stil der Auseinandersetzung in der Innen- und Rechtspolitik.

Welche Gemeinsamkeiten gibt es denn noch?

Wir wollen die Euro-Stabilität mit allen Möglichkeiten unterstützen. Auch in der Außenpolitik einen uns gemeinsame Ziele. Das trifft auch für viele Fragen der Wirtschaftspolitik zu.

Viele in Ihrer Partei klagen darüber, dass Angela Merkel fast keine Rücksicht mehr auf den kleinen Koalitionspartner nimmt – etwa beim Atomausstieg. Empfinden Sie das auch so?

Es war beim Thema Atomausstieg für die FDP schwierig, eine liberale Handschrift deutlich zu machen. Das ist auch nur in Ansätzen gelungen. Es zeigt sich jetzt, dass es ganz schwierig ist, die Kehrtwende der Koalition bei der Nutzung der Atomenergie den Bürgern auch glaubwürdig zu vermitteln. Das betrifft aber beide Partner. Wir müssen nun mit allem Nachdruck für diese Wende werben.

Wo sehen Sie erste Erfolge der neuen Fraktions- und Parteiführung der FDP?

Parteichef Philipp Rösler und Fraktionschef Rainer Brüderle haben in der Debatte über die Griechenlandhilfe entscheidend dazu beigetragen, dass die Beteiligung privater Gläubiger zur Position der Bundesregierung wurde. Es war unser Einsatz, der dafür gesorgt hat, dass auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) diese Forderung nun endlich sichtbar nach außen vertritt. Die FDP ist der Koalitionspartner, der in der Abstimmung im Bundestag für die Mehrheit gesorgt hat. Im Ringen um den richtigen Weg zum Atomausstieg hat die FDP deutlich gemacht, dass es eine Übertragung von Reststrommengen geben muss, damit die Lösung verfassungsrechtlich vertretbar sein kann.

In der Innen- und Rechtspolitik geht offenbar nichts mehr zwischen den Koalitionspartnern. Ihr Gesetzentwurf zur Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung wird von der Union noch nicht einmal als Verhandlungsgrundlage akzeptiert. Warum gehen Sie nicht auf den Partner zu?

Mein Vorschlag ist ein Kompromissangebot, und ich erwarte, dass auf dieser Grundlage Gespräche geführt werden. Bisher haben unzählige Bürger und unzählige nationale wie europäische Organisationen bis hin zu großen Wirtschaftsverbänden dokumentiert, dass sie eine anlasslose Datenspeicherung ablehnen. Die Datenschützer kritisieren die massenhafte Speicherung, auf nationaler und europäischer Ebene. Und auch bei unseren europäischen Nachbarn gibt es große Vorbehalte. Daran sieht man, dass die FDP eine von vielen Stimmen in einem großen europäischen Chor ist. Die EU-Richtlinie hat übrigens zu keiner Harmonisierung geführt und weist erhebliche grundrechtliche Mängel auf. Eine Rückkehr zur alten Vorratsdatenspeicherung ist angesichts der laufenden Überarbeitung der Richtlinie durch die Kommission den Bürgern nicht vermittelbar.

Die Kanzlerin hat eine rasche Einigung auf die Vorratsdatenspeicherung angemahnt. Hilft es den Verhandlungen innerhalb der Koalition, wenn sich die Regierungschefin bereits am Anfang positioniert?

Angela Merkel vertritt auch die Position der Union als Parteivorsitzende. Aber genauso bekannt ist es, dass die FDP in dieser Frage die abwägende Stimme der Bürgerrechte ist. Ich kann die Union nur ermuntern, die Haltung der Gesellschaft ernst zu nehmen, die immer mehr Zweifel an der Datensammelwut hat. Im Grunde ist es in der Sache ähnlich wie bei der Energiewende. Man sollte eben nie die Anliegen der Menschen aus dem Blick verlieren.

Gestritten wird in der Koalition auch über die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze über das laufende Jahr hinaus. Was erwarten Sie von der Union?

Für die FDP ist klar, dass es kein pauschales Durchwinken geben wird. Und eine Verschärfung ist auch mit dem Koalitionsvertrag unvereinbar. Die FDP hat einen sehr differenzierten Standpunkt formuliert und darüber verhandeln wir jetzt mit dem Koalitionspartner. Dabei geht es uns auch um die Frage, ob man einzelne Regelungen aussetzen kann. Wir brauchen generell mehr Kontrolle und Transparenz in dem besonders sensiblen Bereich der Nachrichtendienste bei der Anti-Terror-Gesetzgebung. Dazu brauchen wir eine rationale und differenzierte Debatte.

Das Interview führten Hans Monath und Antje Sirleschtov.

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