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Pssst, Koalitionsfrieden. Innenminister Hans-Peter Friedrich und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei ihrer Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin.

© dapd

Leutheusser-Schnarrenberger: Mrs. No gibt sich geschmeidig

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger feiert die Trendwende, Innenminister Friedrich genießt den Erfolg: Die Koalitionäre einigen sich im Terrorstreit.

Von Robert Birnbaum

Hans-Peter Friedrich gibt halbwegs glaubhaft einen Menschen, der die Frage gar nicht recht verstehen kann. Dabei ist sie so abwegig nicht. Monatelang haben sich die Innen- und Rechtspolitiker der Koalition über die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze gezankt, bis hin zu Boykottdrohungen der Union gegen die FDP – und auf einmal bringt ein abendliches Treffen des Innenministers mit der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Durchbruch! Ob dahinter eine Absprache auf höherer Polit-Ebene stehe, will darum am Mittwochmorgen einer wissen, so etwas wie: Gebt ihr uns bei der inneren Sicherheit nach, kriegt ihr eine Steuersenkung?

Friedrich schüttelt leicht amüsiert den Kopf: „Wir sind dazu gewählt, Entscheidungen zu treffen und haben es gemacht“, sagt der CSU-Mann. Und die FDP-Frau assistiert, es gebe „kein Junktim mit irgendetwas anderem“. Das mag sein. Trotzdem hat die Einigung viel mit dem Zustand der Koalition zu tun und dem Eindruck, dass das bürgerliche Bündnis einfach nicht zusammenfindet. Gleich mehrfach erwähnt Leutheusser, dass sich die Fachminister geeinigt haben, ohne dass es eines „Vermittlers“ bedurfte. Das kann eigentlich nur heißen: Jemand hat ihr mit dem Pofalla gedroht, dem Kanzleramtsminister, oder mit dem Vizekanzler, der die Sache an sich zieht.

Tatsächlich hat Leutheusser in der Sache kräftige Abstriche von ihrem Wunschkatalog machen müssen. Der größere Teil der Sonderbefugnisse für Ermittler und Geheimdienste, die unter Otto Schily nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eingeführt worden waren, wird um weitere vier Jahre verlängert. Friedrich kann sogar an zwei Punkten eine Ausweitung verkünden – auch wenn er die um des Koalitionsfriedens willen bloß „Effizienzsteigerung“ nennt. Ermittler müssen künftig nicht mehr bei jeder Fluggesellschaft einzeln nachforschen, ob ein Terrorverdächtiger unter ihren Passagieren war, sondern dürfen in das zentrale Flugdatensystem Amadeus gucken. Ähnlich bei Bankverbindungen: Auch hier dürfen Behörden demnächst die Stammdaten beim zuständigen Bundesamt einsehen und wissen so auf einen Blick, wo ein Verdächtiger Konten hat.

Auf Leutheussers Erfolgskonto steht eine gewisse Verschärfung der Voraussetzungen, unter denen der „Otto-Katalog“ angewendet wird – statt „Anhaltspunkten“ müssen demnächst „Tatsachen“ für einen Terrorverdacht sprechen – sowie die Abschaffung von vier Maßnahmen, von denen freilich beide Minister sagen, dass sie sowieso kaum oder nie angewendet wurden. So müssen Postdienstleister keine Auskünfte mehr geben, und auch der „kleine Lauschangriff“ fällt weg. Der war als Selbstschutz für verdeckte Ermittler gedacht – Mikrofone am Körper, damit Kollegen eingreifen können, wenn der Verdeckte in Schwierigkeiten kommt. Genutzt worden ist das nie, zumal, sagt Friedrich, es heute weniger auffällige technische Methoden gebe.

Der Verzicht, mit anderen Worten, ist dem CSU-Mann nicht schwergefallen, so wenig wie der Trostpreis, den er Leutheusser zugestanden hat: Eine Kommission, von beiden Ministern geleitet, die die gesamte Anti-Terror-Architektur auf den Prüfstand stellen soll, vom Gesetzeswerk bis zu den Behördenstrukturen. Ob die Kommission mehr produziert als bergeweise Papier, ist völlig offen; vor Ende der Wahlperiode wird es ohnehin höchstens einen Zwischenbericht geben.

Friedrich kann denn auch mit entspannter Nachsicht zuhören, wie Leutheusser ihren Anteil am Erfolg in doch eher abstrakte Formeln fasst: Eine „Trendwende“ im Umgang mit den Sicherheitsgesetzen sei erreicht, weil statt pauschaler Verlängerung jedes Vorhaben abgewogen und geprüft worden sei. Das stimmt. Allerdings hat Friedrich diese Wende schon vor geraumer Zeit vollzogen. Ohnehin hat er Maximalpositionen früh geräumt. Das erwies sich als taktisch klug. Denn der CSU-Mann stand zuletzt als der Konzessionsbereite da – eine Rolle, die um so wirkungsvoller ausfiel, als sie so gar nicht zum hergebrachten Bild christsozialer Innenminister zu passen schien –, während Leutheusser wie eine Mrs. No wirkte, die dann doch nachgeben musste.

Dass es sich dabei nur um eine Art Zwischenstand im Zweikampf zwischen Innen- und Justizressort handelt, wissen aber beide. Das Terrorbekämpfungsergänzungsgesetz, wie das Paket mit vollem Namen heißt, ist eine Fingerübung verglichen mit dem Streit über die Vorratsdatenspeicherung. Leutheusser will die Speicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten nur bei konkretem Anfangsverdacht zulassen, Friedrich besteht auf Speicherung ohne Anlass.

Ein Kompromiss auf halber Strecke erscheint schwer vorstellbar, ein schneller schon gar nicht. Die Gefechtslage, sagt Leutheusser, sei hier eine andere: „Gehen Sie mal beruhigt in Urlaub“, empfiehlt die Justizministerin. Aber dann erwähnt sie noch einmal, wie gut es für eine Koalition sei, wenn sich Fachminister einigten „ohne Vermittlung anderer“. Nicht, dass wieder wer mit dem Pofalla droht!

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