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Politik: Libanon wirft Israel Kriegsverbrechen vor

Beiruter Minister: Die Israelis haben nie zwischen militärischen und zivilen Zielen unterschieden

Die libanesische Regierung hat Israel beschuldigt, während des bewaffneten Konflikts mit der Hisbollah Kriegsverbrechen verübt zu haben. „Wir haben viele Beweise, die wir jetzt sammeln“, sagte Libanons Kulturminister Tarek Mitri am Samstagabend in Genf. Die Israelis müssten den Libanon entschädigen.

Israel habe während des Krieges im Juli und August klar das humanitäre Völkerrecht gebrochen, indem es bewusst Zivilisten angegriffen habe. Insgesamt hätten die Israelis 150 000 zivile Häuser zerstört oder beschädigt. „Die Israelis haben nie zwischen militärischen und zivilen Zielen unterschieden“, sagte der Minister. Nach Darstellung Israels hat die Hisbollah ihre Militärstandorte bewusst in Wohngebiete gelegt, um Zivilisten als lebende Schutzschilde zu missbrauchen.

Die Israelis hätten weite Teile seines Landes mutwillig zerstört, sagte Mitri weiter. Der mehr als einen Monat andauernde Krieg habe viele Libanesen schwer traumatisiert. Mitri vertrat sein Land als Außenminister auf Zeit während der Verhandlungen über einen Waffenstillstand im August bei den UN in New York. In Genf besuchte er den Weltkirchenrat und hielt eine Rede vor dem Zentralausschuss des Rates. Bevor er im April 2005 in die Regierung des Libanon eintrat, war er im Weltkirchenrat für den Dialog zwischen Muslimen und Christen zuständig.

Nach Angaben der Vereinten Nationen töten mehr als zwei Wochen nach dem Waffenstillstand im Libanon nicht explodierte israelische Streubomben im Süden des Landes durchschnittlich jeden Tag einen Menschen. Zusätzlich würden drei Menschen durch diese Waffen verletzt, sagte der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe im Libanon, David Shearer, in Genf. Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch befürchten, dass die Zahl der Opfer im Libanon sprunghaft steigen wird. Denn bislang müsse man sich auf erste Berichte verlassen.

Die heimtückischen Apparate verursachen laut der Anti-Streubomben-Initiative „Cluster Munition Coalition“ hässliche Verstümmelungen: Opfer verlieren Hände, Arme oder Beine, erblinden oder erleiden andere Versehrungen am ganzen Körper.

Das Risiko, von diesen Bomben zerfetzt zu werden, trifft in den ehemaligen libanesischen Konfliktgebieten nahezu alle Menschen. Besonders gefährdet sind nach Angaben der Vereinten Nationen spielende Kinder und Bauern, die auf ihren Feldern arbeiten wollen.

Bereits am vergangenen Donnerstag hatte UN-Untergeneralsekretär Jan Egeland den Einsatz der Streubomben scharf verurteilt: „Schockierend und total unmoralisch ist: 90 Prozent der Abwürfe ereigneten sich in den letzten 72 Stunden des Konflikts, als wir alle wussten, dass es eine Resolution gibt.“ Am 11. August verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Waffenstillstandsresolution.

Im Verlauf des Krieges machten die Israelis nach Angaben der „Cluster Munition Coalition“ ausgiebig Gebrauch von Streubomben: Mehr als 400 Einschläge wurden bis jetzt gezählt. Nach UN-Angaben sind Tausende der kleinen Geschosse nicht explodiert. „Zwar sagen die Hersteller der israelischen Streubomben, dass nur ein Prozent der Waffen nicht sofort detoniert“, erklärt Simon Conway, Direktor der Antiminenorgansiation „Land Mine Action“. Tatsächlich aber sind rund 40 Prozent der eingesetzten Bomben im Libanon nicht explodiert.

Jan Dirk Herbermann[Genf]

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