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Beten für den Erfolg. Libysche Rebellen, schlecht trainiert und mangelhaft ausgestattet, an der Frontlinie nahe der Stadt Brega.

© dpa

Libyen: Aufständische hadern mit der Nato

Zwischen den Aufständischen in Libyen und der Nato ist offener Streit entbrannt. Rebellen-Generalstabschef Abd al Fattah Younis fordert mehr Waffen und wirft dem Militärbündnis vor, zu wenige Angriffe zu fliegen.

„Leider sind wir sehr enttäuscht“, erklärte in Bengasi der Generalstabschef der Rebellen und abtrünnige libysche Innenminister Abd al Fattah Younis. „Wir haben die Nato kontaktiert und das Ziel für eine Bombardierung durchgegeben.“ Bis zum Luftangriff habe es dann acht Stunden gedauert. Wenn schwer bewaffnete Truppen Gaddafis anrückten, müsse die Nato sofort reagieren. Wenn sich dies nicht ändere, werde er den Provisorischen Nationalrat bitten, die Angelegenheit vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen, sagte Younis. In der seit sechs Wochen belagerten Stadt Misrata, die 200 Kilometer von Tripolis entfernt ist, stürben jeden Tag Zivilisten. Die Nato aber unternehme nichts außer ein paar Bombardements hier und da. Den Bewohnern drohe eine „Ausrottung im wahrsten Sinne des Wortes“. Seit das Libyen-Kommando am 31. März von Washington nach Brüssel gewechselt ist, gehen die alliierten Kampfflugzeuge offenbar nur noch sporadisch gegen Gaddafis Streitkräfte vor. Die Rebellen befinden sich seither ständig auf dem Rückzug, während die Truppen des Despoten wieder gefährlich nahe an Bengasi heranrücken.

In einer ersten Reaktion versicherte die Nato, man habe den Schutz von Misrata zur obersten Priorität erhoben, eine Aussage, die Younis sofort als leere Versprechung abtat. „Wenn die Nato die Blockade der Stadt brechen wollte, hätte sie das schon vor einigen Tagen gemacht“, sagte er. In Brüssel aber will man offenbar den Eindruck vermeiden, die alliierte Luftwaffe unterstütze aktiv den Vormarsch der Rebellen gen Westen in Richtung der Gaddafi-Hochburgen Sirte und Tripolis. Zudem erläuterte der kommandierende General Mark van Uhm, Angriffe auf Gaddafis Truppen seien schwieriger geworden, weil die Panzer in Wohnvierteln versteckt und Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht würden. „Das macht Einsätze noch schwieriger“, sagte Frankreichs Außenminister Alain Juppé. Das Leiden der Menschen in Misrata dürfe aber nicht weitergehen, sagte Juppé. Aber die Lage sei unklar, der Einsatz drohe sich festzufahren.

Will mehr Hilfe. Der Chef der Rebellenarmee, Abd al Fattah Younis.
Will mehr Hilfe. Der Chef der Rebellenarmee, Abd al Fattah Younis.

© Reuters

Die ungewöhnlich harte Kritik an der Nato ist auch Ausdruck wachsender Frustration unter den Aufständischen in Libyen über ihre mangelhafte Ausrüstung und Disziplin. Zudem hat sich ihre Militärführung heillos zerstritten. „Unsere Streitkräfte sind nur leicht bewaffnet. Egal wie motiviert sie sind, sie haben Gaddafis Brigaden nichts entgegenzusetzen“, sagte der Militärsprecher der Aufständischen, Oberst Ahmed Bani, dem Tagesspiegel. Der neue Finanzminister Ali Tarhouni gab am Wochenende sogar zu, die Aufständischen verfügten insgesamt nur über etwa 1000 professionelle Soldaten. Alle anderen sind Amateurkämpfer, die nach einwöchigen Schnellkursen in den Kasernen von Bengasi auf eigene Faust an die Front fahren.

„Wir brauchen Panzerabwehrraketen, moderne Artilleriegeschütze und Raketenwerfer“, sagte Bani, dessen Stab in einem Zivilgebäude von Bengasi versteckt ist. Nach seinen Worten brauchen die Soldaten mindestens vier Wochen Intensivtraining, bevor sie moderne westliche Waffen richtig bedienen können.

Wie der Sender Al Dschasira berichtete, haben amerikanische und ägyptische Spezialisten inzwischen mit ersten Schulungen begonnen. Die Bewaffnung der Rebellen ist auch Thema bei den Gesprächen zwischen dem Provisorischen Nationalrat und dem US-Gesandten Chris Stevens, der am Dienstag in Bengasi eintraf. Bereits während der vergangenen Tage waren auf ägyptischer Seite zahlreiche Tieflader mit fabrikneuen Pick-Ups in Richtung Libyen unterwegs, auf denen sich Maschinengewehre und Flak-Geschütze montieren lassen. Zudem verfügen die Aufständischen seit kurzem über eine Grundausstattung an Satellitentelefonen und GPS-Geräten, was ihnen die Kommunikation untereinander ermöglicht.

Derweil versuchten die Aufständischen, im Osten Libyens verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Westlich von Adschdabijah seien schwere Kämpfe im Gange. Die Gefechte hätten am Morgen begonnen, nachdem Gaddafis Truppen über Nacht mit Munition versorgt worden seien, berichtete der Kämpfer einer Spezialeinheit der Rebellen. Die Front verlaufe jetzt 20 Kilometer östlich von Brega. Am Dienstag waren die Rebellen so weit wie seit Tagen nicht zurückgeschlagen worden. (mit rtr)

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