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Macht der Minderheit. Reichen die Stimmen der Opposition auch künftig, um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen?

© dpa

Für den Fall einer großen Koalition: Linke kämpft für Oppositionsrechte im Bundestag

Wenn es zu einer großen Koalition kommt, stellt das die kleinen Bundestagsparteien vor manch ein Problem: Es geht um Untersuchungsausschüsse, Enquetekommissionen und mehr. Während die Grünen mit sich selbst beschäftigt sind, setzt die Linke das Thema auf die Tagesordnung.

Von Matthias Meisner

Eigentlich könnte es Dagmar Enkelmann ziemlich egal sein. Die langjährige Parlamentsgeschäftsführerin der Linken war am Sonntag beim Kampf um ein Direktmandat im brandenburgischen Wahlkreis Märkisch-Oderland/Barnim II nordöstlich von Berlin knapp unterlegen und wird dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören. Aber Sorgen macht sie sich doch um die Rechte der 64 Abgeordneten der neuen Fraktion. Vor allem für den Fall, dass sich Union und SPD demnächst auf eine große Koalition einigen.

Dann nämlich wird es nur zwei kleinere Oppositionsfraktionen geben, neben den Linken noch die Grünen (63 Abgeordnete). Während Letztere im Moment vor allem mit sich selbst beschäftigt sind, hat die Linke das Thema Minderheitenrechte als Problem identifiziert. Unter Hinweis auf die Verfassung beziehungsweise die Geschäftsordnung des Bundestages sagte Enkelmann am Mittwoch dem Tagesspiegel: „So, wie die Bestimmungen jetzt sind, findet das, was im Bundestag gerade spannend ist, nicht mehr statt. Die Kontrollrechte der Opposition werden völlig ausgehebelt.“

Seit 2005 gilt: Nur wenn mindestens ein Viertel aller Abgeordneten zustimmt, können zum Beispiel Untersuchungsausschüsse eingesetzt, Enquetekommissionen bestellt, Anhörungen beantragt oder auch Normenkontrollklagen beim Verfassungsgericht eingereicht werden. Linke und Grüne stellen aber zusammen nur 127 von 630 Abgeordneten, also rund ein Fünftel. Selbstverständlich dürfen alle Fraktionen Anfragen an die Regierung stellen, was gerade die Opposition besonders gern tut. Gesondert ausgehandelt werden die Redezeiten in den Plenardebatten.

Vor acht Jahren stellte sich das Problem ähnlich

2005, als die rot-grüne Bundesregierung von einer großen Koalition abgelöst wurde, stellte sich das Problem ähnlich: Damals lag das Quorum für wichtige Oppositionsrechte bei einem Drittel, es wurde dann mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse abgesenkt auf die jetzt geltenden 25 Prozent, denn die Oppositionsparteien FDP, Linke und Grüne stellten nur etwas mehr als ein Viertel aller Abgeordneten. Seinerzeit war auch diskutiert worden, ob in der Geschäftsordnung festgelegt wird, dass auch einer Fraktion allein zentrale Minderheitenrechte zugestanden werden könnten. Das wurde verworfen: Damals ging die Sorge um, die rechtsextreme NPD könnte irgendwann in den Bundestag einziehen – und auf eine solche Neuregelung pochen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte 2005 zu Beginn seiner ersten Amtszeit, gerade in Zeiten der großen Koalition sei das Selbstbewusstsein des Parlaments gegenüber der Regierung besonders gefordert: „Alle in diesen Bundestag gewählten Mitglieder haben das gleiche Mandat, die gleiche Legitimation und unabhängig von ihren späteren Rollenzuweisungen aufseiten der Regierung oder der Opposition prinzipiell die gleichen Rechte und Pflichten.“ Und: „Die ungeschriebenen Rechte der Opposition, die große Fraktionen ganz unangefochten für sich reklamiert haben, müssen bei einer großen Koalition selbstverständlich auch für die kleinen Fraktionen gelten.“

Gregor Gysi, bisheriger und wohl auch künftiger Fraktionschef der Linken, setzt nun wieder auf Lammert. „Irgendeine Lösung müssen wir finden“, betonte er – womöglich die, dass Linke und Grüne gemeinsam zum Beispiel einen Untersuchungsausschuss durchsetzen können. In der Bundestagsverwaltung ist das Problem bereits erkannt worden, angestrebt wird eine einvernehmlichen Lösung aller Fraktionen. Nur seine Rolle als Oppositionsführer muss Gysi dann noch allein erkämpfen.

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