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Politik: Links draußen?

Die SPD-Rebellen lassen offen, ob sie eine Partei ins Leben rufen wollen – die Debatte darum scheint ihnen zu reichen

Von Hans Monath

Gegründet haben sie dann doch nichts. Kein anderes Ereignis hatte die ohnehin labile SPD in der Woche vor dem Wechsel-Parteitag mehr in Unruhe versetzt als die angekündigte Pressekonferenz der Gewerkschafter-Initiative zur Neugründung einer linken Partei. Ausgerechnet zwei Tage vor der Wahl von Franz Müntefering zum Parteichef, der doch endlich ein bisschen Ruhe in die eigenen Reihen bringen soll, war die Presse geladen. Das allein garantierte schon Aufmerksamkeit für die Frage, ob die SPD Konkurrenz von links bekommt. Doch als die Aktivisten für „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ am Freitag in Nürnberg ihre Sachen wieder einpackten, war nur eines klar: Hier will sich jemand ganz bewusst nicht entscheiden.

Die Hängepartie soll weitergehen. „Wenn sich nichts ändern lässt, schließen wir die Option nicht aus, zu gegebener Zeit Partei zu werden“, verkündete der Fürther IG-Metall-Funktionär Thomas Händel in perfektem Polit-Deutsch. Sechs der sieben Erstunterzeichner sind SPD-Mitglieder. Einen prominenten Neu-Unterstützer oder einen großen Namen konnten sie in Nürnberg aber nicht präsentieren. Sie wollen „Druck ausüben, zuvorderst auf die SPD-Regierungspolitik“.

Ihre eigene Partei erkennen die Gewerkschafter nämlich nicht wieder. Zur „Hauptakteurin des Sozialabbaus und der Umverteilung von unten nach oben“ habe sich die SPD unter Schröder entwickelt. Von außen einwirken will die Initiative, weil sie innerhalb der Parteistrukturen angeblich keine Wirkungsmöglichkeit mehr sieht: Man dringe nicht mehr durch, beklagte Händel und denunzierte die Willensbildung in der SPD zum Reformprozess als Täuschungsmanöver. Es sei ein Schlüsselerlebnis für die Initiatoren gewesen, wie mit den Regionalkonferenzen im vergangenen Jahr im „Top-Down-Stil“ die Agenda 2010 „durchgestellt“ worden sei.

Mit der Pose der verfolgten Unschuld reagieren die Agenda-Kritiker auf die Einleitung der Disziplinarverfahren: „Ohne jedes Gespräch vorher“ habe der SPD-Vorstand gehandelt, klagte Händel. Dass bayerische Spitzenpolitiker der SPD in der Vorstandssitzung und später öffentlich ankündigten, sie wollten persönlich um jeden der Dissidenten werben, stand zwar in jeder Zeitung, scheint aber bei den Gemeinten nicht angekommen zu sein. So wenig wie die Tatsache, dass jede Woche Dutzende von SPD-Politikern die Reformpolitik der eigenen Regierung laut kritisieren. Doch immerhin 300 neue Unterstützer der Initiative sehen das offenbar ähnlich.

Den Unterschied zwischen der inhaltlichen Debatte („Ist Kritik erlaubt?“) und der Organisationsfrage („Darf ein SPD-Mitglied eine neue Partei gründen?“), verwischen die Initiatoren offenbar bewusst. „Gelassen“ reagiere man auf das Disziplinarverfahren, erklärte Händel: „Wir wollen es wissen von der Partei, ob Sozialstaatler in ihr keinen Platz mehr haben.“

Die Kritik wichtiger Parteilinker, die vor einer Spaltung warnt, die nur die Union stärkt, scheint die Aktivisten nicht zu beeindrucken. Aber bayerische SPD-Funktionäre warnen davor, zu hart gegen die Protestler vorzugehen, die in ihrer Region als Arbeitnehmervertreter bekannt und geschätzt sind. Die stehen vor der Frage, wie lange sich die Medien noch um sie reißen, wenn sie die wichtigste Frage nicht bald entscheiden. Denn eines ist aus Sicht des Willy-Brandt-Hauses glasklar: Das Störpotenzial der Bayern-Initiative innerhalb der Partei ist erheblich größer als ihre Chance, auch nur eine Bestimmung der Agenda zurückzudrehen. Erpressen lassen will sich die SPD-Spitze nicht.

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