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© dpa

Linkspartei: Bremser in der Lok

Die Linkspartei soll über ein Grundsatzprogramm debattieren – doch der Vorsitzende Lafontaine hält das für absurd.

Von Matthias Meisner

Berlin - Die Programmdebatte ist Chefsache bei den Linken – und womöglich ist das auch der Grund, warum die Sache schon seit einer ganzen Weile auf die lange Bank geschoben wird. Im Oktober 2007 hatte die Linkspartei eine 16-köpfige Kommission unter Vorsitz von Oskar Lafontaine und Lothar Bisky eingesetzt, die „möglichst bis Mitte 2008 einen ersten Entwurf für ein Parteiprogramm“ vorlegen sollte. Zu Papier gebracht ist bis heute nichts. Selbst Forderungen aus der Partei, doch wenigstens einen neuen Zeitplan vorzulegen, sind bisher nicht erfüllt.

Verantwortlich für die Bummelei sind die Chefs selbst. Bisky, seit Sommer Abgeordneter des Europaparlaments und Parteivorsitzender auf Abruf, zeigte zuletzt kaum noch Interesse, die Diskussion zu befördern. Und Lafontaine? Obwohl er doch den Vorsitz der Bundestagsfraktion niedergelegt hat und sich auf seine Arbeit als Parteichef konzentrieren will, hat er immer wieder klargemacht, dass er von einer neuen Programmdebatte nichts hält. Es gebe doch bereits drei Programme, lässt er sich immer wieder zitieren, verweist dazu auf die programmatischen Eckpunkte, die 2007 bei der Vereinigung von PDS und WASG per Mitgliederentscheid gebilligt wurden, dazu auf die Programme zur Europa- und zur Bundestagswahl. Vor zwei Wochen, bevor seine Krebserkrankung bekannt wurde, nahm Lafontaine eine Sitzung der Bundestagsfraktion zum Anlass für skeptische Bemerkungen. Dort wurde hinter verschlossenen Türen über den Koalitionsvertrag in Brandenburg diskutiert, angeblich inakzeptable Kompromisse mit der SPD. Lafontaine sagte Teilnehmern zufolge, eine Programmdebatte würde gerade von denen gefordert, die die Grundlinien nicht einhielten.

Bestätigt dürfte sich Lafontaine jetzt wieder sehen, denn wortgewaltig plädiert der Reformerflügel für eine zügige Diskussion, die 2011 in der Verabschiedung eines Grundsatzprogramms münden soll. „Überfällig“ nennt das Forum demokratischer Sozialismus um den Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich die Debatte. Im Leitantrag für das Bundestreffen der Reformer am kommenden Wochenende heißt es, langfristige Ziele und Nutzwert der Linken für die Wähler müssten endlich festgelegt werden. Von zentraler Bedeutung müsse der Begriff des demokratischen Sozialismus sein, aber: „Dogmatische Einengungen sollten vermieden werden, damit wir auch Menschen erreichen, die Vorbehalte gegenüber dem Sozialismusbegriff haben. Das verlangt auch eine Absage an den ,Realsozialismus’ der Vergangenheit.“ Die Partei müsse sich „in der parlamentarischen Demokratie dem Wettbewerb der Ideen“ stellen. Liebich sagt, vor allem an der ostdeutschen Basis sei der Wunsch nach Selbstvergewisserung groß, ausdrücklich warnt er vor „Formelkompromissen“.

Anders als Lafontaine erwartet auch Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch , dass die wegen der Bundestagswahl aufgeschobene Programmdebatte nun geführt wird. Die programmatischen Eckpunkte seien „dauerhaft nicht ausreichend“, sagt er, verlangt bis Ende 2010 einen Entwurfstext als Antrag an einen Bundesparteitag. Beschlossen werden könnte das neue Grundsatzprogramm dann 2011. Die „großen Linien“ müssten beschrieben werden, auch wenn damit nach Voraussage des Parteimanagers „heftigste Auseinandersetzungen“ verbunden sein werden. Konflikte werden erwartet unter anderem zur Debatte um Privatisierungen, das Verhältnis zur DDR sowie zur Außenpolitik.

Im Dezember soll der Parteivorstand über einen Zeitplan entscheiden. Fraktionschef Gregor Gysi sagt, dass es auf ein halbes Jahr nun auch nicht mehr ankomme. Offenkundig will er keine ideologischen Grabenkämpfe vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2010. Andererseits hat er Verständnis für die verlangte „Selbstverständigung“. Gysi fordert, dass ein neues Programm möglichst viele Genossen mitnimmt. „Wenn ein größerer Teil der Mitgliedschaft demotiviert würde, sänke unsere Bedeutung als wichtiger gesellschaftlicher Korrekturfaktor. Das nutzt auch denen nichts, die das neue Programm dann eigentlich ganz toll finden. Breite Verständigung ist nötig.“

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