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Gregor Gysi

© dpa

Linkspartei: Gysi und Lafontaine planen Versöhnungsgespräch

Auf ihrem Parteitag in Göttingen traten die Konflikte innerhalb der Linkspartei offen zutage. Nun beschwören die Führungskader den neuen Aufbruch – und können doch nicht von den Machtkämpfen lassen.

Von Matthias Meisner

Am Montag in aller Frühe, um 3 Uhr 18, verließ eine E-Mail die Parteizentrale der Linken – um eine Einigkeit zu demonstrieren, die es noch längst nicht gibt. Gemeinsam riefen die neuen Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie Fraktionschef Gregor Gysi zu einem „neuen Aufbruch“ auf. Der Parteitag in Göttingen am vorvergangenen Wochenende sei ein „Signal des Zusammenhalts“ gewesen, heißt es darin. Eine „Kultur des Zuhörens“ wird angestrebt, weil: „Unsere Unterschiede machen uns dann stark, wenn wir voneinander lernen.“ Gebraucht werde eine Partei, die „klare Alternativen zum Neoliberalismus“ formuliere, schreiben die drei Linken-Spitzen. Zugleich behaupten sie selbstbewusst, dass selbst der neue französische Präsident François Hollande inzwischen Kernforderungen der Linkspartei aufgreife.

Doch die Woche ist nicht auf Harmonie programmiert, wie sich vermutlich schon bei der Sitzung der Bundestagsfraktion an diesem Dienstag zeigen wird, der ersten nach dem Göttinger Parteitag. Die baden-württembergische Abgeordnete Heike Hänsel hat – ganz offenbar im Auftrag des linken Parteiflügels – eine Aussprache zu Göttingen verlangt, in der es vor allem um den Auftritt von Fraktionschef Gysi gehen soll. Er hatte in seiner Parteitagsrede „Hass“ in der Fraktion scharf kritisiert, dabei von einem „pathologischen Zustand“ gesprochen.

Vor der Sitzung richtete er an die Abgeordneten den eindringlichen Appell, sich auf ihren politischen Auftrag zu besinnen statt sich zu bekriegen. „Die Abgeordneten werden nicht dafür bezahlt, irgendwelche konträren Standpunkte untereinander auszutragen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa, sondern sollten die Interessen der Bürger vertreten. Aus verschiedenen Lagern hagelt es Kritik an der Gysi-Rede, die, so Abgeordnete, „unterirdisch“ gewesen sei und „von seiner Eitelkeit getrieben“.

Die frühere Bundesgeschäftsführerin und neue Vize-Parteichefin Caren Lay schrieb in einem Kommentar auf ihrer Facebook-Seite zur Lage der Linken, das Ziel einer modernen, demokratischen und nicht-autoritären Partei sei nach wie vor nicht eingelöst. Sie hoffe, „der Laden wird mal ordentlich durchgelüftet“. Zur Rolle von Gysi schrieb Lay, er habe das Zentrum der Partei bislang als seinen „einsamen Ort“ betrachtet. Jetzt aber gehe es darum, dass „die Linke nicht aus informellen Hinterzimmern regiert wird, sondern demokratisch geführt durch formelle, das heißt demokratisch legitimierte Gremien“.

Die Geschichte der Linken in Bildern

Traditionell fällt es der Linkspartei schwer, Personalentscheidungen hauptsächlich nach Fragen der Qualifikation zu treffen. Das zeigte sich nicht nur bei der Wahl einer neuen Führung in Göttingen. Es steht auch zu befürchten bei Stellenbesetzungen, über die demnächst zu entscheiden ist. Die neue Parteichefin Kipping wird die Leitung des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Bundestag voraussichtlich abgeben. Die Fraktionsführung würde gern den rentenpolitischen Sprecher Matthias W. Birkwald aus Köln mit der Kipping-Nachfolge betrauen. Birkwald verortet sich zwar im linken Lager, gilt aber – auch, weil er viele Jahre Büroleiter des früheren Parteichefs Lothar Bisky war – als moderat. Doch weil das Lafontaine-Lager mit der Gewerkschafterin Sabine Zimmermann aus Sachsen ins Rennen geht, zögert Birkwald mit einer Kandidatur. Er wolle, heißt es, diese Kraftprobe vermeiden, zumal der Posten zunächst nur für wenige Monate bis zum beginnenden Bundestagswahlkampf zu vergeben sei.

Konflikte zeichnen sich daneben ab um die Leitung der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie hat seit fünf Jahren der frühere SED- und PDS-Funktionär Heinz Vietze aus Potsdam inne. Vietze wird im September 65. Er war schon im vergangenen Jahr bereit, den Posten für die damalige Parteichefin Gesine Lötzsch zu räumen. Jetzt interessieren sich dem Vernehmen nach andere Spitzengenossen für das Amt – darunter Klaus Ernst, bis Göttingen Vorsitzender der Linken, sowie Parlamentsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann. Einvernehmen gibt es nicht.

Und geschlichtet werden müsste schließlich noch ein weiterer Genossen- Streit – der zwischen Gysi und dem früheren Parteichef Oskar Lafontaine. An diesem Donnerstag treffen sich die beiden Spitzenpolitiker erstmals nach dem Parteitag, bei dem sie ihr Zerwürfnis auf offener Bühne demonstriert hatten. Zunächst diskutieren Gysi und Lafontaine am Abend in der Auferstehungskirche im Berliner Stadtteil Friedrichshain über Lösungswege für die Finanzkrise. Danach ist das Versöhnungsgespräch der beiden Genossen geplant. Der Ausgang gilt, wie vieles bei den Linken, als offen.

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