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Gesine Lötzsch.

© dpa

Linkspartei: Im Lötzschland: Werbung schon im Kindergarten

Ein Lichtenberger Verein, als gemeinnützig anerkannt, macht bei Kindern Propaganda für die Linken-Bundesvorsitzende Gesine Lötzsch.

Von Matthias Meisner

Der dreistöckige Plattenbau in Neu-Hohenschönhausen ist unsaniert, hier, in der Ahrenshooper Straße 5, hat ganz oben Gesine Lötzsch ihr Bürgerbüro, die Vorsitzende der Linkspartei. Sie ist die im Ost-Berliner Bezirk Lichtenberg direkt gewählte Bundestagsabgeordnete. Am Briefkasten des Bürgerbüros ist auf einem kleinen Aufkleber handschriftlich hinzugefügt „Gemeinsam in Lichtenberg e.V.“. Ist dieser Verein ein Ableger der Linkspartei?

„Gemeinsam in Lichtenberg“ ist Ende 2007 gegründet worden, gemäß der im Vereinsregister beim Amtsgericht Charlottenburg im November 2009 hinterlegten Satzung sei zentrales Vereinsanliegen „das Eintreten für die Rechte von Kindern“. Dazu organisiert werden unter anderem Zuckertütenfeste in den Lichtenberger Bibliotheken für ABC-Schützen, Kiezdedektivprojekte, herausgegeben wird eine Zeitung für Kita-Kinder mit Namen „Zuckiti“. „Der Verein ist parteipolitisch unabhängig“, heißt es in der Satzung. Er wurde vom Finanzamt für Körperschaften in Berlin als gemeinnützig anerkannt, Spenden können steuerlich geltend gemacht werden. Vorsitzende des Vereins ist Gesine Lötzsch. Die stellvertretende Vereinschefin heißt Katrin Petermann, sie leitet das Bürgerbüro von Lötzsch. Schatzmeisterin von „Gemeinsam in Lichtenberg ist Tatjana Behrend, im Hauptberuf persönliche Referentin von Lötzsch in der Parteizentrale Karl-Liebknecht- Haus. Als Telefonnummer gibt der Verein die 99270725 an, das Wahlkreisbüro hat dieselbe Nummer.

Lötzschs Büroleiter im Bundestag, Klaus Singer, bekennt freimütig: „Ein Verein kann  andere Dinge machen als eine Partei.“ Offenbar geht es darum, leichter in Kindergärten und Schulen zu kommen, wo parteipolitische Aktivitäten sonst keinen Platz haben.

Vizevorsitzende Petermann versichert, Verein und Partei seien unabhängig voneinander, um die von ihr als Projektleiterin betreute Zeitung „Zuckiti“ würde sie sich in ihrer Freizeit kümmern. „Zuckiti“ ist eben in der zehnten Auflage erschienen. Das Blatt enthält Bastelbögen, Gewinnspiele, Gedichte und Lieder. Lötzsch als Vereinschefin ist auf der Rückseite jeder Ausgabe abgebildet. Mal wird die Linken-Chefin auch anders ins Bild gesetzt, sie ist dann zum Beispiel bei Giraffen, Pinguinen oder Nashörnern im Tierpark zu sehen, oder beim vom Verein organisierten Fahrrad-Frühlings-Fest. Für eine Ausgabe in mehreren Sprachen hat die Linke Evrim Baba-Sommer aus dem Abgeordnetenhaus die Übersetzung gemacht, in der jüngsten Ausgabe wird berichtet, wie Kinder der Kita „Spatzentrio“ gemeinsam mit Wirtschaftssenator Harald Wolf eine Druckerei besichtigten.

Lesen Sie weiter auf Seite 2:Politik in der Kinderzeitung

Wolf ist Spitzenkandidat für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September. Dem „Neuen Deutschland“ berichtete Petermann, dass Lötzsch den Verein sehr unterstütze. „Mit ihr haben wir zum Beispiel eine Bibliothek besucht. Sie hat den Kindern gezeigt, wie man solch eine Einrichtung benutzt. Daraus haben wir eine Bildergeschichte gemacht.“ Später wurde eine „Zuckiti“-Ausgabe in mehreren Ost-Berliner Bezirken dem „ND" kostenlos beigelegt. Bei anderer Gelegenheit rief Lötzsch die Schüler zu einem Malwettbewerb auf. Die malten der Politikerin eine Zuckertüte. Als Dankeschön wurden sie in den Tierpark eingeladen. Auf der Internetseite von Gesine Lötzsch wird „Zuckiti“ als „Konkurrenz“ für „Bummi“ beworben, so hieß die Kinderzeitung in der DDR, der Titel wird inzwischen von einem Verlag im badischen Rastatt weitergeführt.

Politiker anderer Parteien werden in „Zuckiti“ nicht vorgestellt. Politische Themen enthält das Blatt aber sehr wohl: So erschien zum „Tag der Befreiung“ – dem Ende des Zweiten Weltkrieges – eine Sonderausgabe auf Deutsch und Russisch. Finanziert werden die Zeitung und andere Aktivitäten maßgeblich von Sponsoren. Die städtische Betreibergesellschaft Kindergärten Nord-Ost hat 76 Einrichtungen mit insgesamt mehr als 9000 Kindern in Pankow, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf. Sie nimmt von jeder der vier pro Jahr erscheinenden Hefte inzwischen 5000 Exemplare ab, im Etat für 2011 stehen dafür 9000 Euro bereit. Der pädagogische Geschäftsführer des kommunalen Betriebs, Michael Witte, sagt, „Zuckiti“ werde von „sehr engagierten und hoch professionellen Frauen“ gemacht. Das Blatt werde sowohl von den Kindern als auch von den Erziehern sehr gut angenommen.

Howoge unterstützt die Kinderzeitung

Wichtiger Sponsor ist daneben das kommunale Wohnungsunternehmen Howoge. Es unterstützt den Druck der Kinderzeitung – zum finanziellen Umfang macht Howoge keine Angaben. Öffentlichkeitsarbeiterin Jacqueline Tartler sagt: „Wir unterstützen das, um das familienfreundliche Gesicht Lichtenbergs um eine Facette zu bereichern.“ Bei der Zeitung handele es sich um „altersgemäße Bildung für Kinder im Vorschulalter“.

Im vergangenen Jahr wurde die Zeitung sogar mit gut 3000 Euro aus dem Etat des von CDU-Politikerin Kristina Schröder geführten Bundesfamilienministeriums unterstützt. „Ein schönes Projekt“, sagt der Leiter des lokalen Aktionsplanes, Andreas Wächter. Christina Emmrich (Linke), Bezirksbürgermeisterin von Lichtenberg, sagt über den Verein „Gemeinsam in Lichtenberg“: „Es ist eine ganz tolle Sache, was die da machen.“ Sie staune immer wieder, wie gut es gelinge, Kinder in den gesellschaftlichen Alltag hineinzuholen.

Die Grenzen zwischen Parteipolitik und öffentlichen Aufgaben verschwimmen in Lichtenberg. „Wir sind hier im Bezirk die stärkste Partei und nehmen diese Verantwortung auch wahr“, sagte Genossin Petermann, als sie sich vor einigen Jahren für „Clara“, das Magazin der Linksfraktion im Bundestag porträtieren ließ.

Vor ein paar Tagen eröffnete der Bundestag seine Wanderausstellung im Linden-Center unweit von Lötzschs Wahlkreisbüro. Als „Teil der Wanderausstellung“ organisierte Lötzsch am vergangenen Montag einen griechischen Abend in dem Einkaufszentrum, mit auf der Bühne stand auch Linksfraktionschef Gregor Gysi. In der Wanderausstellung selbst darf es keine Parteiwerbung geben, hier liegen Broschüren aus zur Arbeit des Parlaments und das Grundgesetz. Doch mit am Stand steht auch auch Lötzschs Wahlkreismitarbeiterin Katrin Petermann, bei vielen dort fast so gut bekannt wie die Linken-Parteichefin.

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