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Lissabon-Vertrag: "Helden in Strumpfhosen"

Die CSU streitet über das Lissabon-Begleitgesetz. Im Bundestag zeichnet sich eine Mehrheit für einen Beschluss im September ab.

Berlin - Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gärt in der CDU/CSU der Streit über die Europapolitik – oder genauer gesagt darüber, wie eng die Bundesregierung künftig in der EU-Politik an Vorgaben aus dem Bundestag und Bundesrat gebunden sein soll. Die Karlsruher Richter hatten in der vergangenen Woche verlangt, das deutsche Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag zu überarbeiten und dem Parlament größere Mitspracherechte einzuräumen. Die anschließenden Forderungen aus der CSU, künftig sämtliche wichtigen Entscheidungen der Bundesregierung auf EU-Ebene von der Zustimmung des Bundestages und Bundesrates abhängig zu machen und dies obendrein im Grundgesetz zu verankern, ernten inzwischen parteiübergreifend Kritik. So erteilte der Europa-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Peter Hintze (CDU), im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa den CSU-Wünschen mit dem Hinweis eine Absage, die Verhandlungsfreiheit der Bundesregierung in Brüssel müsse gewahrt bleiben.

Die Forderungen aus der CSU gehen weit über die vom Verfassungsgericht geforderten Nachbesserungen hinaus. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass es selbst innerhalb der CSU keinen Konsens in der Frage gibt, wie deutlich das Mitspracherecht des Parlamentes künftig ausgestaltet werden soll: Der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt erklärte am Montag, es wäre „das Ende der EU“, wenn jede Europa-Entscheidung vorher in den nationalen Parlamenten abgestimmt werde. „Die Antwort auf das Karlsruher EU-Urteil muss eine Stärkung aller Parlamente, auch des Europaparlamentes, sein und nicht ein Rückfall ins Bismarck-Reich“, erklärte Posselt weiter. Damit nahm Posselt seinen Kollegen Markus Ferber in Schutz, der Vorsitzender der CSU-Europagruppe in Brüssel ist. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte Ferber vorgeworfen, „schon zu sehr unter der Brüsseler Käseglocke zu leben“ – und weiß sich dabei der Unterstützung von Parteichef Horst Seehofer sicher.

Ferber verlangt wie viele andere Abgeordnete einen raschen Beschluss zur Änderung des Begleitgesetzes, damit der Lissabon-Vertrag möglichst noch im Herbst in Kraft treten kann. Nach derzeitiger Planung ist der Beschluss des Bundestages für den 8. September vorgesehen. Als eine der letzten EU-weiten Hürden für den Lissabon-Vertrag gilt das Referendum in Irland Anfang Oktober.

Nach den Worten des Grünen-Bundestagsabgeordneten Rainder Steenblock gibt es zwischen seiner Partei sowie CDU, SPD und FDP eine breite Übereinstimmung, die bereits bestehende Vereinbarung über die Zusammenarbeit von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung in das Begleitgesetz zu übernehmen und es dabei zu belassen. Anderenfalls sei auch der geplante Abstimmungstermin im September nicht zu halten, sagte Steenblock dem Tagesspiegel.

Der Europapolitiker Markus Löning bezeichnete die CSU-Politiker, die nun über die Karlsruher Auflagen hinausgehende Forderungen erheben, als „Helden in Strumpfhosen“. In der Vergangenheit, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete zur Begründung, sei die CSU stets vor den europapolitischen Forderungen der Unionsschwester eingeknickt.

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