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Politik: Liste der Erinnerung

363 000 jüdische Versicherte könnten entschädigt werden

Diese Liste hat es in sich. Und sie ist wohl einmalig: Seit dem 30. April gibt es im Internet unter www.icheic.org eine Aufstellung von derzeit genau 363 232 Namen. Es sind Namen jüdischer Menschen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie zwischen 1933 und 1945 eine Lebensversicherung hatten oder gehabt haben könnten. Wegen der Verfolgung durch die Nazis wurden deren Policen aber zumeist nie ausgezahlt. Veröffentlicht hat diese Liste die „Internationale Kommission zur Abwicklung von Versicherungsansprüchen von Holocaust-Opfern“, kurz Icheic genannt. Vertreten sind dort jüdische Organisationen, Repräsentanten Israels und der USA sowie große europäische Versicherungsunternehmen

Das Ziel von Icheic ist es, weltweit nicht ausgezahlte Ansprüche zu prüfen und gegebenenfalls zu entschädigen. Dafür stellt die Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ 280 Millionen Euro zur Verfügung. Im Februar hatte sich die Kommission auf ein Verfahren geeinigt, um die Ansprüche von jüdischen Versicherten und deren Erben zu regeln. Dazu gehört die Namensliste.

Dass es dieses Verzeichnis jetzt gibt, gilt schon an sich als ein großer Erfolg. Erstmals hatten die deutschen Versicherungen und deren Töchter sich nämlich bereit erklärt, alle elektronisch vorhandenen Angaben über Policen aus der Zeit zwischen 1920 und 1945 zur Verfügung zu stellen. Das waren acht Millionen Namen, jüdische und nichtjüdische. Die Entschädigungsstiftung beauftragte deshalb das Bundesarchiv damit, die Namen der jüdischen Bürger zu ermitteln, die während des Dritten Reiches in Deutschland lebten.

Ein schwieriges Unterfangen. Denn eine solche Liste existierte noch nicht. Um sie zusammenzustellen, mussten die Icheic, das Bundesarchiv und die Entschädigungsstiftung mit Hilfe der Gedenkstätte Yad Vashem rund einhundert Quellen berücksichtigen. Etwa 2,5 Millionen Daten wurden so gesammelt – in drei Monaten. Um die Liste mit den Namen jüdischer Versicherungsnehmer zu erstellen, glich man die 2,5 Millionen Namen mit den acht Millionen Namen der Versicherungen ab – und kam so auf die Zahl 363 000.

Politisch und wissenschaftlich könnte sich die Sammlung mit den Daten von 2,5 Millionen jüdischen Namen aber als noch bedeutsamer erweisen. Womöglich ist sie nämlich die Grundlage für ein Verzeichnis der vermutlich 600 000 Juden, die in der NS-Zeit in Deutschland lebten. „Das wäre das erste Mal, dass alle jüdischen Bürger aus dieser Zeit namentlich in einer Liste aufgeführt werden“, sagt Kai Hennig von der Entschädigungsstiftung.

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