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Politik: Lohn fürs Kind

Die Koalition will das Elterngeld einführen – es könnte bei 67 Prozent des letzten Einkommens liegen

Berlin – Die Idee eines lohnabhängigen Elterngelds findet laut Familienministerin Renate Schmidt (SPD) auch in der SPD immer mehr Anhänger. „Die Zustimmung wächst“, sagte die Ministerin. In der ersten Jahreshälfte 2006 will die Familienministerin im Kabinett einen konkreten Entwurf vorlegen. Die Umwandlung des Erziehungsgeldes werde von fast 70 Prozent der Bürger gewünscht, sagte Schmidt mit Verweis auf eine aktuelle Umfrage. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der an diesem Mittwoch bei einer Veranstaltung der Arbeitgeber eine Grundsatzrede zur Familienpolitik halten wird, befürwortet die Idee.

Das Elterngeld soll bis zu einem Jahr nach der Geburt des Kindes gezahlt werden und könnte bei rund 67 Prozent des letzten Einkommens liegen. Auch Eltern, die nicht berufstätig waren, sollen einen Sockelbetrag erhalten, der „nicht unter 300 Euro“ liegen werde. Die Dauer der Elternzeit von drei Jahren, in denen der Arbeitsplatz garantiert wird, soll nicht verkürzt werden. In skandinavischen Ländern gibt es das Elterngeld bereits.

Nach Ansicht des Vorsitzenden des Sachverständigenrats, Bert Rürup, würden mit einem lohnabhängigen Elterngeld alle Einkommensgruppen relativ gleichmäßig begünstigt. „Die Hoffnung ist, dass es dadurch auch für Akademiker attraktiver wird, Kinder zu bekommen“, sagte der Chef der Wirtschaftsweisen dem Tagesspiegel. Rürup sagte, das Elterngeld sei aber auch keine „Wunderwaffe“, um die niedrige Geburtenrate in Deutschland, die bei durchschnittlich 1,3 Kindern pro Frau liegt, zu steigern. Wie die Ministerin setzt er auf: Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Geld und Zeit. „Wir brauchen mehr flexiblere Arbeitszeitmodelle“, forderte Rürup. Konkret regte er an, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften in Manteltarifverträgen zumindest die Absicht erklären, familienfreundlichere Arbeitszeitmodelle zu vereinbaren. „Die Entscheidungen müssen dann im Betrieb fallen“, sagte Rürup.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt fordert eine Überprüfung der Familienpolitik. „Bisher führt unsere großzügige Familienförderung mit 150 Milliarden Eur weder zu mehr Geburten noch zu einer vernünftigen Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt“, sagte er dem „Handelsblatt“. Vor allem die gesetzliche Jobgarantie von drei Jahren für Mütter gehe an „der betrieblichen Realität vorbei“, kritisierte er. Dagegen sei die Einführung eines einjährigen Elterngelds „eine interessante Idee“.

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer erklärt die im internationalen Vergleich niedrige Geburtenrate in Deutschland mit der Beschäftigungskrise. „Wenn jemand Angst um seinen Arbeitsplatz und um die Zukunft hat, dann ist die Bereitschaft nicht groß, Verantwortung für Kinder zu übernehmen“, sagte sie dem Tagesspiegel. In Ländern mit vielen berufstätigen Frauen wie in Skandinavien, England und den USA sei auch die Geburtenrate hoch.

Für die Familienministerin wäre es schon „ein großer Sprung“, wenn die Geburtenrate in Deutschland bis 2010 den EU-Schnitt von 1,6 erreichen würde. Die Kinderabstinenz in Deutschland habe sich allerdings sehr verfestigt, beklagt die SPD-Politikerin.

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