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Politik: Lücke im Gesetz

Der Justiz in Hamburg und Frankfurt fällt es schwer, die dort angeklagten Islamisten des Terrors zu überführen. Wichtige Aussagen fehlen – und ein Paragraph

Von Frank Jansen

Von Frank Jansen

und Karsten Plog

Die deutsche Justiz tut sich schwer mit den beiden ersten Prozessen gegen mutmaßliche Al-Qaida-Mitglieder. Am Hamburger Oberlandesgericht scheint die Hauptverhandlung gegen Mounir al Motassadeq an einem toten Punkt angekommen zu sein. In dem Prozess gegen vier Algerier vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main bricht womöglich ein Teil der Anklage weg.

Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht zurzeit vor allem der Motassadeq-Prozess, in dem es zu einem bizarren Auftritt kommen könnte: Der die Anklage vertretende Bundesanwalt Walter Hemberger soll nun selbst als Zeuge gehört werden. Motassadeq wird beschuldigt, er habe mit finanziellen Transaktionen die aus Hamburg stammenden Selbstmordpiloten des 11. September um Mohammed Atta unterstützt und damit Beihilfe zum Mord an 3045 Menschen geleistet. Eine der Schlüsselfiguren des Terrorangriffs, der mit Motassadeq befreundete Ramzi Binalshibh, wird seit Monaten auf einem amerikanischen Kriegsschiff festgehalten und verhört. Die Verteidiger Motassadeqs wollen wissen, was Hemberger über die Aussagen Binalshibhs weiß. Die US-Behörden weigern sich, Binalshibh durch das Hamburger Gericht befragen zu lassen. Offenbar übermitteln die Amerikaner jedoch Informationen an Bundeskriminalamt und Bundesnachrichtendienst. Motassadeqs Verteidiger glauben, dass BKA und BND ihr Wissen mit der Bundesanwaltschaft teilen. Verschweigt Hemberger Aussagen Binalshibs, die Motassadeq entlasten könnten?

Neben Hemberger möchten die Verteidiger auch einen zum Fall Binalshibh „instruierten“ Beamten des BND in den Zeugenstand holen. Der Nachrichtendienst hat allerdings dem Gericht im Dezember mitgeteilt, er könne keine „weitergabefähigen Informationen“ liefern. Sollten sich nun weder der BND noch Hemberger zu Binalshibhs Angaben äußern, hätten die Anwälte Motassadeqs weitere Argumente, um ein mögliches Urteil gegen ihren Mandanten anzufechten. Schon nach den bisherigen Zeugenaussagen erscheint es Beobachtern fraglich, dass Motassadeq eine Beteiligung an den Anschlägen des 11. September nachzuweisen ist.

In Frankfurt erscheint es ebenfalls schwierig, die Algerier Lamine Maroni, Fouhad Sabour, Salim Boukhari und Aeurobui Beandali in allen Anklagepunkten zu überführen. Die Bundesanwaltschaft wirft den Islamisten vor, sie hätten zur Jahreswende 2000/2001 auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt eine Nagelbombe zünden wollen. Selbst wenn die Beweise für eine Verurteilung reichen sollten, muss der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung womöglich fallen gelassen werden. Als die Polizei die Algerier Weihnachten 2000 in Frankfurt festnahm, gab es noch nicht den Paragraphen 129b, der die Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorgruppe unter Strafe stellt. Da die Islamisten offenkundig zum weltweiten Al-Qaida-Netz gehören und einen Anschlag in Frankreich verüben wollten, können sie vermutlich nicht wie einst die Mitglieder der RAF nach dem „deutschen“ Terrorparagraphen 129a verurteilt werden, der in der Anklage aufgeführt ist.

Die Bundesanwaltschaft glaubt jedoch, dass die anderen Anklagepunkte, vor allem „geplanter Mord“ und „Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion“, für eine Verurteilung zu harten Strafen ausreichen. Dass die Algerier behaupten, sie hätten in Straßburg „nur“ die Synagoge nach Verlassen der Besucher sprengen wollen, hält die Anwaltschaft für widerlegt. So wurde im Prozess bekannt, dass Beandali telefonisch bei einem Islamisten in London einen Hochdruck-Kochtopf bestellte und geschickt bekam. In afghanischen Terrorcamps – Beandali war dort – lehrte Al Qaida, wie solche Kochtöpfe zu Bomben umfunktioniert werden. Diese taugen jedoch nicht dazu, ein Gebäude wie die Straßburger Synagoge in die Luft fliegen zu lassen.

Bei dem ursprünglich fünften Angeklagten, Abdelkader Krimou alias Samir Karimou, kann die Bundesanwaltschaft keine harte Strafe erwarten. Der Algerier wurde aus der U-Haft entlassen, das Verfahren abgetrennt. Krimou ist offenbar nur vorzuwerfen, dass er einige Mitangeklagte kennt.

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