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Politik: Lustig ist das Gewerkschaftsleben

Teure Auslandsreisen, Suiten in Luxushotels: Ein staatlicher Stromversorger zahlt reichlich Das Unternehmen wurde in den vergangenen Jahren um Millionen Euro erleichtert.

Athen - Ideologisch ist Nikos Fotopoulos gefestigt. Porträts von Marx, Lenin, Trotzki und Rosa Luxemburg schmücken die Wände seines Büros unweit des Athener Omoniaplatzes. Che Guevara ist gleich dreimal vertreten. Fotopoulos ist Vorsitzender der Gewerkschaftsföderation GENOP beim staatlichen griechischen Stromversorger DEI. Aber wie charakterfest sind Fotopoulos und seine Gewerkschaftsfunktionäre wirklich? Dieser Frage gehen der Staatsanwalt Aristidis Korreas und seine Kollegin Eleni Siskou nach. Vergangene Woche haben sie Anklage wegen Untreue und gemeinschaftlich begangenen Betruges erhoben. Der Fall handelt von der systematischen Ausplünderung eines griechischen Staatsunternehmens.

Teure Auslandsreisen der Gewerkschafter, Suiten in Luxushotels, Schlemmereien in Gourmet-Restaurants – und immer zahlte das Unternehmen. Fotopoulos und seine Kollegen sind ebenso in Erklärungsnot wie die Manager. Die gemeinschaftlich betriebene Ausbeutung des Unternehmens funktionierte, bis Leandros Rakintzis die Verhältnisse zu durchleuchten begann. Er ist Chefinspekteur der griechischen Verwaltung. Der 74-jährige Jurist hat viel erlebt im Laufe seiner Richterkarriere, die ihn bis zum Areopag führte, dem obersten Gerichtshof. Aber die Verhältnisse, die er bei der DEI aufdeckte, dürften selbst ihm die Sprache verschlagen haben. Auf 100 Seiten hat Rakintzis aufgelistet, wie die GENOP und ihre Sozialorganisation OKDE in den vergangenen Jahren den Stromversorger um einen zweistelligen Millionenbetrag erleichterten.

57 000 Euro stellte die GENOP dem Unternehmen im Oktober 2008 für die Bewirtung von 30 Gewerkschaftskollegen aus Serbien in Rechnung. Gekostet hatte der Besuch tatsächlich nur 26 490,31 Euro. Für eine Athen-Visite von 32 rumänischen Gewerkschaftern berechnete die GENOP dem Stromkonzern 39 360 Euro. Quittungen fanden sich lediglich für 16 967,52 Euro. Im Juli 2009 reisten 30 GENOP-Funktionäre nach Berlin und Prag. Die Reise kostete 26 935 Euro, wurde aber dem Unternehmen mit 80 445 Euro in Rechnung gestellt. Für einen Ausflug einer Delegation nach Genf berechnete die Gewerkschaft dem Unternehmen 30 500 Euro. Kleiner Schönheitsfehler: Die Reise fand nie statt. Klar, dass die Gewerkschaft erbittert gegen die geplante Teilprivatisierung des Stromversorgers kämpft. Denn dann wäre Schluss mit der Plünderung des Unternehmens.

„Mit allen Mitteln“ werde man den Verkauf des Unternehmens verhindern, sagt Nikos Fotopoulos mit geballter Faust. Wie fast die gesamte Führung der Gewerkschaftsföderation ist Fotopoulos Mitglied der Pasok-Partei, die darum kämpft, bei der Wahl im Mai an die Macht zurückzukehren. Ein Foto in Fotopoulos Büro zeigt ihn mit Giorgos Papandreou, dem Ex-Premier. Das Bild stammt aus dem Wahlkampf 2009. Damals versprach Papandreou, mit der Gewerkschaft gegen die Privatisierung des Stromversorgers zu kämpfen. Papandreou musste im vergangenen November zurücktreten. Nikos Fotopoulos will weiter kämpfen. Er bietet jetzt die Offenlegung seiner Bankkonten an: „Wenn man dort nur einen unrechtmäßigen Euro findet, werde ich nicht zurücktreten, sondern Selbstmord begehen.“Gerd Höhler

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