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"Lustmord": Lebenslange Haft für "Kannibalen"

Der so genannte Kannibale von Rotenburg ist in Frankfurt wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ein erstes Urteil von achteinhalb Jahren Haft hatte der Bundesgerichtshof aufgehoben.

Frankfurt/Main - Das Frankfurter Landgericht hat den so genannten Kannibalen von Rotenburg wegen Lustmordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Der 44 Jahre alte Armin Meiwes habe seinen Geschlechtstrieb befriedigen wollen, als er am 10. März 2001 einen Ingenieur aus Berlin entmannte, tötete und ihn schließlich aufaß, begründete am Dienstag der Vorsitzende Richter Klaus Drescher das Urteil. Damit ist im zweiten Prozess gegen den Mann aus dem osthessischen Rotenburg ein deutlich härteres Urteil ergangen als vor dem Landgericht Kassel, das zu achteinhalb Jahren Haft wegen Totschlags gekommen war. Der Schuldspruch war vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden.

Die Tötung selbst habe Meiwes kein Vergnügen bereitet, meinte der Richter. «Er musste sich dazu überwinden. (...) Er tötete B., weil er ihn schlachten und sein Fleisch essen wollte.» «Fleisch von jungen Männern» sei der zentrale Fetisch in Meiwes' Sexualstruktur, eine andere Orientierung sei dem psychisch schwer kranken Mann nicht möglich. Er habe die Bluttat auf Video aufgezeichnet, um später seine Erinnerungen, die ihm in einer Art «Kopf-Kino» sexuelle Befriedigung brachten, auffrischen zu können, erläuterte Drescher. Für das Mordmerkmal des Geschlechtstriebes komme es nicht darauf an, ob Meiwes während der Tat Sex mit dem Opfer hatte oder sich selbst befriedigte. Das Gesetz fordere keinen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang.

Das Einverständnis des 43 Jahre alten Berliners Bernd B. in seinen Tod wertete das Gericht als Beleg, dass die Tat nicht auf unterster moralischer Stufe stehe und eine besonders schwere Schuld damit nicht vorliege. Hier müsse ein Unterschied etwa zu den Taten des Massenmörders Fritz Haarmann gemacht werden, sagte der Richter. Haarmann hatte zwischen 1918 und 1924 in Hannover mindestens 24 junge Männer umgebracht, indem er ihnen die Kehle durchbiss. Meiwes habe hingegen nur einen Menschen mit dessen Einverständnis getötet. Der Extrem-Masochist B. hatte im Internet mit Anzeigen nach einem «Schlachter» gesucht. Bei ihm sei der Wunsch zentral gewesen, dass ihm der Penis abgebissen werde.

Gleichwohl lehnte das Gericht die von den Verteidigern verlangte Bestrafung wegen einer Tötung auf Verlangen ab. Dies setze voraus, dass allein der Todeswunsch des Opfers Hauptmotiv für den Angeklagten gewesen sei. Die sei aber bei Meiwes, der seine zentrale Fantasie verwirklichen wollte, nicht der Fall gewesen. «Es handelte sich um eine vorsätzliche Tötung.» Die Anwälte kündigten nach dem Prozess an, die erneute Revision zu prüfen.

Als zweites Mordmerkmal erkannte das Gericht, dass mit der Tötung ein weiteres Verbrechen ermöglicht werden sollte, nämlich die Störung der Totenruhe. Meiwes irre, wenn er glaube, dass Kannibalismus nicht strafbar sei, erklärte Drescher. «Es gibt keinen Straftatbestand Kannibalismus, aber es ist eine Störung der Totenruhe, da durch das Essen der Mensch einem Nutztier gleichgestellt wird.»

Das Gericht folgte den Einschätzungen der beiden bereits in Kassel aufgetretenen psychiatrischen Gutachter, dass Meiwes zwar schwer seelisch gestört sei, aber dennoch sein Verhalten voll steuern könne und damit schuldfähig sei. Auch sein Verhalten im Gerichtssaal habe sein Krankheitsbild offenbar werden lassen. In dieser Situation sei es dem Gericht rechtlich nicht möglich, den Angeklagten zum Maßregelvollzug in eine Psychiatrie einzuweisen. «Strafrecht kann nicht alles regeln», sagte Drescher.

Die Verurteilung zu lebenslanger Haft ohne die von der Staatsanwaltschaft beantragte besonders schwere Schuld bedeute keineswegs die automatische Entlassung des Verurteilten nach 15 Jahren auf Bewährung, erläuterte das Gericht. Die Entscheidung über die Mindestbuße sei Gegenstand einer weiteren gerichtlichen Prüfung. Hier spiele eine positive Prognose, also die Erwartung keiner weiteren Straftaten, die zentrale Rolle. (tso/dpa)

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