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Politik: Machtwechsel in Mexico: Nach der Niederlage sucht die Ex-Regierungspartei Mexikos nach dem Schuldigen

Dieser Tage ist es besonders laut auf der nördlichen Avenida Insurgentes im Zentrum von Mexiko-Stadt. Autofahrer drücken wie verrückt auf die Hupe, andere juchzen und pfeifen laut aus dem Fenster.

Dieser Tage ist es besonders laut auf der nördlichen Avenida Insurgentes im Zentrum von Mexiko-Stadt. Autofahrer drücken wie verrückt auf die Hupe, andere juchzen und pfeifen laut aus dem Fenster. Das Kraftfahrer-Konzert ist ein Ausdruck von reiner Häme und gilt der Partei der Institutionellen Revolution (PRI). Die hat am Sonntag nach mehr als sieben Jahrzehnten an der Macht die Präsidentschaftswahlen verloren.

Aber sogar in dem Gebäudekomplex an der Avenida Insurgentes soll so manchem Besucher ein wenig Häme anzumerken sein. Es handelt sich um parteiinterne Feinde von Francisco Labastida, dessen Niederlage vom Sonntag die "Priistas" in der gesamten mexikanischen Republik unter Schock gesetzt hat. In der Provinz mag sich die Gefolgschaft noch die Wunden lecken: In der Hauptstadt hat längst das Hauen und Stechen um die Macht begonnen, die nun in der PRI neu zu verteilen ist.

Wer ist schuld am Wahldebakel? Und wer darf den angeschlagenen Karren aus dem Dreck ziehen? Über diese Fragen sind altbekannte Grabenkämpfe zwischen den Institionalisierten Revolutionären wieder aufgeflammt. Parteichefin Dulce Maria Sauri gab das Feuer frei, in dem sie ihren Rücktritt einreichte. Als erste griffen dann angeblich die so genannten "Dinosaurier" zu den Waffen, die als Traditionalisten der alten PRI-Garde "Technokraten" und Wirtschaftsliberale wie Francisco Labastida noch nie leiden konnten.

Weil die "Dinosaurier" nicht den Wunschkandidaten von Präsident Ernesto Zedillo und erst recht nicht den kläglichen Verlierer Labastida als Vorsitzenden akzeptieren wollen, ist nun Zoff angesagt in der Avenida Insurgente. Gouverneure und Parlamentsabgeordnete geben sich dort die Klinke in die Hand und warten auf Sitzungen des Parteirates, die immer wieder verschoben werden. Zwischendurch gießen sie Öl ins Feuer, indem sie sich in Interviews gegenseitig beschimpfen. Und Dulce Maria Sauris darf nicht zurücktreten, weil noch kein Nachfolger gefunden ist.

"Technokraten ohne Berufung" sollten die Partei verlassen, forderte ein "Dinosaurier" und spielte damit nicht nur auf Labastida, sondern auch auf Zedillo an. Mit dem haben die Alt-Priisten ebenfalls ein Huhn zu rupfen, weil er ihrer Ansicht nach mit demokratischen Reformen den tiefen Sturz der Partei forciert hat. Außerdem habe er dem oppositionellen Wahlsieger Vicente Fox am Sonntag viel zu früh gratuliert. Zedillo habe, so die Kritik weiter, "den Kopf hingehalten und dann das Fallbeil heruntersausen lassen".

Nicht nur einige PRI-Mitglieder hätten die Katastrophe vom 2. Juli herbeigeführt, ereiferte sich denn auch der "Dinosaurier" Humberto Roque, der gerne anstelle Labastidas ins Rennen um den Posten des Staats- und Regierungschef gegangen wäre. "Der Präsident, die Wähler und eigene historische Fehler" seien ebenfalls für diese Schande verantwortlich zu machen.

Zu allem Überfluss ist auch Labastida von Zedillos Vorschlag für den Parteivorsitz nicht begeistert. Und dann ist da noch ein Grüppchen hochrangiger Priisten, die sich während des Wahlkampfes von Labastida links liegen gelassen fühlten. Sie wittern nun die Chance, Terrain zurückgewinnen.

Man werde die Sitzung des Parteirates auf unbestimmte Zeit verschieben, erklärte Dulce Maria Sauris nach viel Hin und Her am späten Dienstagabend. Eine Arbeitsgruppe solle zunächst Frieden stiften und einen Chef suchen, der allen genehm sei. Gefordert hatte eine solche "Konsens-Gruppe" unter anderem Roberto Madrazo, Gouverneur des Bundesstaates Tabasco und Führer der "Madrazistas". Er hat selbst ein Auge auf den Chefsessel geworfen und nun Zeit, in den Korridoren der PRI-Macht für sich zu werben. Madrazo fiel wie Roque im Herbst 1999 bei den parteiinternen Wahlen für die Präsidentschaftskandidatur durch, nachdem er heftig gegen Labastida und seinen Mentor Zedillo gewettert hatte. Monatelang verhielt sich der 48-Jährige danach in Tabasco ganz still, um jetzt beim Machtpoker in Mexiko-Stadt wieder kräftig mitzumischen.

Sigrun Rottmann

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