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Heute kommen andere Zuwanderer nach Deutschland als noch vor wenigen Jahren.

© dpa

Zuwanderung: „Mädchen sind Integrationsgewinner“

Eine Studie zeigt: Junge Migrantinnen nutzen Bildungschancen, um aufzusteigen und dem Elternhaus zu entfliehen. Jungen kommen da nicht mit.

Jahrzehntelang ist in Deutschland über Integrationsprobleme debattiert worden, wurden Forderungen für eine bessere Integration von Zuwanderern aufgestellt und verschiedenste Maßnahmen ergriffen. Nun könnte ein Wendepunkt erreicht sein. Denn die klassischen Integrationshemmnisse wie Sprachprobleme und Bildungsdefizite treten allmählich in den Hintergrund.

Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Mit der Wirtschaftskrise in vielen europäischen Staaten ist Deutschland zum Anziehungspunkt für junge, gut ausgebildete EU-Bürger geworden, die schnell Arbeit und Anschluss finden. Nur noch zehn Prozent der Zuwanderer sind ungelernte Arbeitskräfte, viele kommen lediglich als Saisonarbeiter. Auch die Nachkommen der früheren Gastarbeitergeneration erreichen heute höhere Bildungsabschlüsse als noch vor wenigen Jahren, oft sogar höhere als einheimische Jugendliche. Das geht aus einer am Dienstag vorgestellten Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zur Lage der Integration in Deutschland hervor.

Mädchen wollen sich verändern

„Mädchen sind dabei eindeutig die Integrationsgewinner“, sagte Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts. Denn ähnlich wie bei deutschen Jugendlichen bringen auch junge Migrantinnen meist bessere Noten und Abschlüsse nach Hause. Dies zeige, dass das deutsche Bildungssystem trotz aller bekannten Mängel auch für Kinder aus bildungsfernen Familien durchlässig sei, sagte Klingholz. „Und viele türkische Mädchen haben erkannt, dass sie sich durch Bildung sozial verbessern können, den patriarchalischen Strukturen in ihren Familien entkommen können.“ Jungen hingegen bekämen gerade in diesen Strukturen großes Selbstbewusstsein vermittelt und das Gefühl, dass sie sich außerhalb der Familie nicht profilieren müssten. „Für sie ist die Realität im Schulalltag dann ein Schock, der viel Frust mit sich bringt.“

Deutsche Lehrer sind laut Klingholz auf diese Problematik nur unzureichend vorbereitet und wenden sich lieber den angepassten Schülern zu, sprich den Mädchen. Integrationsförderung, so seine Schlussfolgerung, sei daher heute besonders Jungenförderung.

Jeder fünfte in Deutschland hat einen Migrationshintergrund

Diese könnte also zum Schlüssel der Integrationsförderung werden, schließlich sind mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Migranten in Deutschland heute minderjährig. Insgesamt, so teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mit, stellen Migranten inzwischen einen Anteil von 19,2 Prozent der Bevölkerung in Deutschland (15,3 Millionen Menschen), wobei mehr als 60 Prozent der Einwohner mit Migrationshintergrund einen deutschen Pass besitzen. Damit hat bald jeder fünfte Einwohner Deutschlands ausländische Wurzeln. Fast alle Migranten (96,7 Prozent) leben in Westdeutschland.

Flüchtlinge leben unter unwürdigen Bedingungen

Schwierig bleibt die Situation für Flüchtlinge. In ihrem Grundrechte-Report fordern deutsche Menschenrechts-, Juristen- und Flüchtlingsorganisationen bessere Lebensbedingungen für sie und ein verbessertes Asylrecht in der EU. Asylsuchende würden „in den Randstaaten der Union festgehalten, deren Asylsysteme vielerorts überlastet sind“, heißt es in dem am Dienstag in Karlsruhe vorgestellten Bericht. So lebten in Ungarn, Italien oder Griechenland Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen, obwohl sie in Deutschland Angehörige hätten und sich hier leicht integrieren könnten. In Deutschland seien bis vor kurzem sogar minderjährige Flüchtlinge, die illegal eingereist waren, nachts aus Jugendhilfeeinrichtungen herausgeholt und in jene EU-Länder abgeschoben worden, die sie auf ihrer Flucht zuerst erreicht hatten. Dort erhielten sie jedoch oft keine Hilfe und lebten auf der Straße.

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