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Politik: Made in Berlin

Enttäuschte SPD-Anhänger haben die Europawahl entschieden. Auch in Thüringen erreicht die Partei ihre Wähler nicht mehr

Berlin Die Politik in Berlin hat auch dieses Mal das deutsche Ergebnis der Europawahl maßgeblich mitbestimmt. Nach Analyse der Experten der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen nannten immerhin 51 Prozent derjenigen, die am Sonntag wählen gingen, die Bundespolitik als ausschlaggebend für ihre Wahlentscheidung. Nur für 43 Prozent hatte auch Europa einen Spitzenplatz. Noch drastischer – gut 60 gegen 35 Prozent – fiel das Ergebnis der Befragung von Infratest dimap aus.

Zwar wird auch die Union für ihre Oppositionsarbeit in Berlin keinesfalls gut bewertet, doch die Kritik an Rot-Grün in Berlin ist deutlich stärker. 58 Prozent der Wähler, die Infratest dimap befragte, waren der Meinung, die SPD verdiene einen Denkzettel. Die Forschungsgruppe Wahlen errechnet für die SPD zwölf Prozentpunkte Verluste bei den Arbeitern. Sie erreicht nur noch 24 Prozent in ihrer traditionellen Klientel.

In der vergleichsweise schwachen Gruppe der unter 30-Jährigen liegen sowohl SPD mit 19 Prozent (minus 6 Prozentpunkte) als auch CDU/CSU mit 39 Prozent (minus 8) hinter ihrem Gesamtergebnis. Die Grünen schneiden hier mit 17 Prozent (plus 7) genau wie die FDP mit 9 Prozent (plus 5) überdurchschnittlich ab. Die SPD schafft es nur bei den 44- bis 59-Jährigen (24 Prozent) sowie den über 60-Jährigen (25 Prozent) leicht über den Durchschnitt. In der großen Gruppe der Wähler über 60 bleibt die Union mit 54 Prozent stark. Aber auch der Zuspruch zur SPD steigt inzwischen mit dem Alter. Wähler mit höherer Bildung entschieden sich häufig für kleine Parteien: Knapp 40 Prozent von ihnen wählten entweder PDS, Grüne oder FDP.

Die schwache Wahlbeteiligung zeigt erneut die Skepsis der Deutschen gegenüber dem Europäischen Parlament: Während 86 Prozent der Befragten Entscheidungen des Bundestages, 76 Prozent Landtagsentscheidungen und 70 Prozent Entscheidungen der Kommunalparlamente in ihrem Leben für bedeutsam halten, geben dies in Befragungen der Forschungsgruppe Wahlen nur 61 Prozent an, wenn es um Beschlüsse aus Straßburg oder Brüssel geht.

In Thüringen geht der Vorsprung der CDU zunächst auf das Konto des sehr populären Ministerpräsidenten. 72 Prozent, darunter auch die Mehrheit der Oppositionsanhänger, bescheinigen Dieter Althaus gute Arbeit. Auch für den Arbeitsmarkt setzen sichtbar mehr Thüringer auf CDU (33 Prozent) als auf PDS (6) oder SPD (7), wobei ein großer Anteil überhaupt keiner Partei vertraut. Ähnlich sieht es für die Wirtschaftskompetenz aus. Bei Schule und Bildung, nach Meinung der Thüringer das drittwichtigste Problem im Land, liegen CDU (25 Prozent), PDS (19 Prozent) und SPD (20 Prozent) aber nahe beieinander.

Den Grünen schadete am meisten, dass sich 63 Prozent der Wähler von ihnen keine Antworten auf die Probleme des Ostens versprechen. Die Bundespolitik spielte eine wichtige, aber nachgeordnete Rolle: Für 53 Prozent derjenigen, die am Sonntag wählten, war Thüringen ausschlaggebend; nur 43 Prozent der Befragten nannten die Berliner Politik.

Die CDU verlor an diesem Sonntag in Thüringen in allen Altersgruppen etwa gleich stark; die PDS gewann in allen Altersgruppen gleichmäßig zu. Bei den Arbeitslosen ist sie mit 37 Prozent der Stimmen die stärkste Partei, die CDU verlor hier acht und die SPD zehn Prozentpunkte. Noch dramatischer als im Bundestrend der Europawahl hat sich die Traditionsklientel der SPD in Thüringen von der Partei abgewandt: Gerade noch 14 Prozent der Arbeiter wählten sie.Tsp

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