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Mafia: Italiens Polizei verhaftet mächtigen Camorra-Boss

In Italien hat es einen Großangriff auf die Mafia gegeben: Der vorletzte Führer des Casalesi-Clans wurde verhaftet.

Rom - „Darauf habe ich 14 Jahre gewartet.“ Roberto Saviano ist (fast) am Ziel. Der 31-jährige Schriftsteller hat mit seinem Schock-Bestseller „Gomorrha“ nicht nur das wirtschaftliche Geflecht der Camorra aufgedeckt und angeprangert, sondern auch – das darf als sicher gelten – die Intensivfahndung nach deren gefährlichsten Bossen erst ausgelöst.

Jetzt hat die Polizei den vorletzten Führer des „Casalesi“-Clans verhaftet. 14 Jahre lang war der heute 46-jährige Antonio Iovine untergetaucht. Offiziell jedenfalls. Seinen kampanischen Heimatort in der Nähe von Caserta durchquerte er, wenn er es wollte, in aller Offenheit zu Fuß – oder im Streifenwagen: Iovines Bruder war eine Zeit lang Stadtpolizist und bot sich mitunter als „Taxifahrer“ an. Dass der Boss, trotz Verurteilung zu lebenslanger Haft, jahrelang von seiner bürgerlichen Umgebung geschützt und versteckt wurde, gilt den Mafia-Ermittlern denn auch als die „bitterste Note“ dieser Affäre. Iovine soll der oberste Wirtschaftsmanager einer kriminellen Organisation gewesen sein, die ihre ersten Millionen mit Drogen, Waffenschmuggel und Erpressung verdient hat; er selbst war Spezialist für das lukrative Verschwindenlassen von Giftmüll.

Die Casalesi räumten früher ihre Gegner per Mord aus dem Weg. Heute sind sie, äußerlich unauffällig, vor allem im Bauwesen tätig. Ihr jährliches Geschäftsvolumen wird auf ein paar Milliarden Euro geschätzt. Zum Clan gehörte Italiens größte Firma für Erdbewegungen; Firmen der Casalesi bauten sogar eine Radarstation der Nato. Von ihrem Zentrum in Kampanien aus betreibt der Clan illegale Geschäfte bis nach Rom, Umbrien und in die Toskana. Oder er wäscht sein Geld in legal aussehenen Betrieben: einer römischen Nobeldisko zum Beispiel, Spielsalons, Hotels oder Restaurants.

In den vergangenen Monaten hatten die Ermittler systematisch das Umfeld Iovines ausgetrocknet. Verhaftet wurden unter anderem seine Ehefrau, jahrelang untergetauchte Mafia-Funktionäre der mittleren Ebene sowie die „Zettelboten“, über die der Boss aus wechselnden Verstecken mit seinen Leuten kommunizierte. Jetzt sucht die Polizei nach dem letzten „großen“ Boss der Casalesi, nach Michele Zagaria. Auch kümmern sich die Ermittler um das bürgerliche Umfeld, ohne dessen Verstrickung die Casalesi nicht so mächtig geworden wären. Im Verdacht stehen unter anderem Bürgermeister, Mitarbeiter von Kommunalbehörden und Unternehmer.

Dass diese Verstrickungen überaus vielfältig sein könnten, dafür gibt es beunruhigende Indizien. Die unter Polizeischutz lebende Journalistin Rosaria Capacchione, eine der größten Camorra-Expertinnen, schreibt: „Der Preis für den Sieg über die Casalesi könnte sehr hoch sein. Die Wirtschaft einer gesamten Provinz könnte zusammenbrechen.“

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