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Politik: Man redet wieder miteinander

Im Streit um den Hotelverkauf an einen Neonazi will sich Delmenhorst doch mit dem Besitzer einigen

Gerd Renker wirkte erleichtert. Der Mitinitiator der Delmenhorster Bürgerinitiative, die gegen den Verkauf eines Hotels an den vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Anwalt Jürgen Rieger kämpft, konnte gestern mit Genugtuung feststellen, dass die Stadt wieder mit dem Eigentümer des „Hotels am Stadtpark“ redet. „Ich bin sehr froh, dass nun endlich Bewegung in die Sache gekommen ist“, sagte er. Renker verschweigt, dass es vor allem seiner Aktion „Für Delmenhorst“ zu verdanken ist, dass es einen Vermittler gibt. Am Mittwochnachmittag verkündete Oberbürgermeister Carsten Schwettmann (CDU) jedenfalls, „dass wir weiterhin darauf setzen, ein Alternativangebot für den Ankauf der Immobilie unterbreiten zu können“.

Der Hoteleigentümer Günter Mergel verlangt für die mit Schulden belastete Immobilie 3,4 Millionen Euro. Am Dienstag hatte er angekündigt, er überlege, das Hotel in Form einer gemischten Schenkung an eine Stiftung Riegers zu übergeben, um das Vorkaufsrecht der Stadt auszuhebeln. Zuvor hatte die Stadt das Hotel einem Sanierungungsgebiet zugeschlagen, um sich das Vorkaufsrecht zu sichern.

Der ehemalige Bremer Hochschullehrer und Vorsitzende der Delmenhorster Universitätsgesellschaft, Christian Glaß, 70, hat es anscheinend am späten Dienstagabend geschafft, wieder ein Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Parteien herzustellen. Schwettmann jedenfalls schrieb am Mittwoch einen Brief an Mergel, in dem er ihn über die Möglichkeit direkter Kaufverhandlungen informiert. Gleichzeitig setzte Schwettmann die juristische Prüfung der von Mergel angekündigten Schenkung aus und widersprach damit dem Tenor des niedersächsischen Innenministeriums, das nur ein paar Stunden zuvor eben eine intensive juristische Prüfung angekündigt hatte. Jetzt soll ein Wertgutachten erstellt werden, das die Grundlage für konkrete Verhandlungen mit Mergel darstellen soll.

Mergel selbst schrieb am Mittwoch einen Brief an den Vorsitzenden des Innenausschusses im Deutschen Bundestag, Sebastian Edathy, der dem Tagesspiegel vorliegt, und forderte den SPD-Politiker auf, sich für ihn einzusetzen und sich über seine Situation zu informieren. Edathy hatte zuvor an Mergel appelliert, von einem Vertrag mit Rieger Abstand zu nehmen. Mergel faxte dem Bundestagsabgeordneten einen ganzen Stapel an Informationen, die seiner Ansicht nach dazu dienen „zu verstehen, warum ein 100 Zimmer großes Hotel, ein Gewerbebetrieb, mein Eigentum, meine Altersvorsorge, 14 Monate leer steht“. Edathy sagte, er könne sich vorstellen, in einem Gespräch mit Mergel zu helfen, aber er wolle sich nicht aufdrängen. Die Unterlagen gingen auch an Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Mergel sagte dem Tagesspiegel, er habe Dienstag „kurz mit Rieger gesprochen“, aber er sei weiterhin auch offen für andere Angebote. Nur habe er noch keines erhalten. Trotz der Angst der Bürger in Delmenhorst vor einem Neonazi-Schulungszentrum sagt auch Renker: „Es hätte nie so weit kommen müssen, wenn man sich früher an einen Tisch gesetzt hätte.“

Unterdessen hat die Polizei in Delmenhorst wegen des Verdachts der Volksverhetzung Ermittlungen gegen einen 29-jährigen Rechtsextremisten eingeleitet, der eine Internetseite „Delmenhorst und seine Volksverräter" erstellt haben soll. Mehr als 2000 Gegner des Verkaufs werden mit Namen angeprangert und als „Volksverräter“ beschimpft. Die Namensliste wurde wohl von der Internetseite der Bürgerinitiative kopiert. Bei dem Beschuldigten handelt es sich nach Polizeiangaben um einen Berliner, „der bundesweit in der rechten Szene bekannt ist“. Die Seite werde von Estland aus betrieben.

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