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Politik: Manchmal stinkt es doch

WELTEKE & CO.

Von Robert von Rimscha

Soll ich das etwa selber zahlen? Diese Frage, von Ernst Welteke brüsk in den beginnenden Sturm gerufen, dürfte als das zugleich ehrlichste und entlarvendste Statement in die Annalen jener Affäre eingehen, von der wir noch nicht einmal wissen, wie sie richtig heißt. „Adlon-Affäre“, „Hotel-Sause“ oder „Familienurlaubs-Skandal“? Egal. Welteke, der Chef der Bundesbank, ist ein Präsident im Ruhezustand. Sein Vize amtiert. Der offizielle Noch-Chef harrt des Votums von Bankvorstand und Justiz. Derweil bezeichnet der Finanzminister Weltekes Gebaren als nicht hinnehmbar. Und die Opposition, die vor der Regierung den Rücktritt des SPD-Manns forderte, versucht sich nun an der kunstvollen Übung namens Kehrtwende und Überhöhung: Nicht um Ernst Welteke gehe es, sondern um den Ränkeschmied Hans Eichel. Der Bürger aber – wendet er sich angeekelt ab? Er tut es wohl. Und hat sein Fazit längst gezogen.

„Komplott“, „Intrige“, „deutsches Watergate“: All diese Etiketten sind dem Vorfall schon probeweise aufgeklebt worden. Dass Eichels Umfeld selbst den Skandal lostrat, so lautet ein Verdacht. Bewiesen ist nichts. Klar ist, dass sich der Finanzminister durchaus als politischer Profiteur empfinden darf. Noch vor zwei Wochen war er ein ungelittener Politiker, in den Popularitätstabellen auf Kellerniveau und öffentlich nur noch selten zu sehen. Jetzt ist der rostende Spar-Hans als wackerer Moral-Recke in hell gleißender Rüstung auferstanden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, wer vom Resultat zurückrechnet auf die Motivation. Und die Aktion? Das Lancieren anonymer Briefe, die Welteke beschuldigen? Wie gesagt, die Fakten kennen wir nicht. Wir kennen aber Interessen. So jenes, jetzt einem bequemeren SPD-Mann das Amt zu verschaffen, auf dass der noch amtiert, wenn Rot-Grün samt Eichel vielleicht nicht mehr regieren.

Worte wie „Watergate“ sind Unsinn. Wenn „Intrige“ aber heißen soll, dass politische Skandale meist in der Nähe dessen entstehen, der letztlich ihr Opfer wird, dann taugt der Begriff. Im Fall Welteke könnte Nähe bedeuten, dass die SPD gemeint ist. Oder, alternativ, das Mischmilieu aus Kontrolleuren und Kontrollierten, in dem sich Welteke und die großen deutschen Geschäftsbanken befinden. Seien wir nicht naiv. Das, was als Welteke-Affäre die Osterwochen füllt, ist die Spitze eines Eisberges. Sicher wie das Amen in der Kirche ist, dass auch andere aus dem Vorstand der Bundesbank sich von jenen einladen lassen, die sie beaufsichtigen sollen.

Zwischen Politik und Wirtschaft hat Deutschland dieses Beziehungsgeflecht einst debattiert, als es im Süden der Republik um Amigos und – schon damals! – fremdfinanzierte Kurzurlaube ging. Dann stolperten Rudolf Scharping, Cem Özdemir, Gregor Gysi, Florian Gerster und Peter Strieder. Alle diese Rücktritte hatten etwas mit Geld und mit Netzwerken zu tun, mit Beratern und allzu großer Nähe, mit Vorteilen, die gewährt und genommen wurden, auch wenn das jeweilige Verhalten jenseits juristischer Kategorien blieb. Der Öffentlichkeit bleibt nur ein beschränktes Arsenal an Reaktionsmöglichkeiten. Politik sei eben schmutzig, sagen die einen resigniert. Die Moral müsse gegen die Politik verteidigt werden, fordern die Zweiten. Denen da oben geht es eben zu gut, sagen viele, die selbst nie Gelegenheit zum großen Schmarotzen haben werden. Die müssten nichts mitnehmen, wenn wir sie wie Firmenbosse bezahlen würden, sagen ein paar wenige. Und vergessen dabei, dass das Einstecken nicht Teil einer Völlerei mit berechenbarer Sättigungsgrenze ist – siehe Mannesmann-Prozess.

Ein Rücktritt: Das ist Politik, wo sie am verständlichsten wird. Klarer geht es nicht. In unübersichtlichen Sachzwang- und Sparzeiten hält die Personalisierung das Publikum bei Laune. Dies mag die Inflation der Skandale erklären. Dass es nie um Sex geht, aber stets um Geld, der Inhalt der Affären also: Der dürfte einer deutschen Ausprägung von Puritanismus geschuldet sein. Nirgendwo werden Privilegien – und zwar die verdienten wie die angemaßten – weniger neidfrei diskutiert als in der Bundesrepublik. Für Ernst Welteke bedeutet dies: Erstattet hat er seine Adlon-Rechnung. Bezahlt noch lange nicht.

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