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Politik: Mandat mit Mühe

Für den Einsatz in Kundus will die Regierung einen UN-Beschluss – aber richtig wichtig ist er ihr nicht

Von

Von Hans Monath

und Robert von Rimscha

Die Bundeswehr erhält bald den Marschbefehl nach Nord-Afghanistan. Zunächst hatte die Bundesregierung offenbar erwogen, das Aufbauteam, das nach Kundus geschickt weden soll, rechtlich nicht unter das Mandat der Isaf, sondern unter das von „Enduring Freedom“ zu stellen. Damit hätte es dem Oberbefehl der USA unterstanden und dem Ziel der Terrorismusbekämpfung gedient. Allerdings wäre die Wahrscheinlichkeit groß gewesen, dass viele Abgeordnete von SPD und Grünen sich einem solchen Weg verschlossen hätten. Auch der nun gewählte Weg dürfte in beiden Fraktionen auf Vorbehalte stoßen: Die Regierung macht einen neuen UN-Beschluss nicht zur Bedingung, sondern erklärt lediglich, dass sie sich um ihn bemühe. Außen- und Sicherheitspolitiker der Grünen, darunter Parteichefin Angelika Beer, bestehen auf einem neuen Mandat. Als „dringend erforderlich“ bezeichnete auch Fraktionsvize Winfried Nachtwei die Ausweitung des UN-Auftrags. „Mit dem bisherigen Mandat geht es nicht“, sagte er.

Die Widerstände im eigenen Lager gegen den laxen Umgang mit bisherigen Prinzipien der Koalition bei Auslandseinsätzen dürften die Regierungsspitze nicht überraschen. Bisher galt es als rot-grünes Dogma, ohne UN-Auftrag keinen Soldaten in einen Einsatz außerhalb des Nato-Bündnisgebiets zu schicken. Schröder und der Sprecher des Auswärtigen Amtes (AA) äußerten sich zwar zuversichtlich, dass ein erweitertes UN-Mandat erreichbar sei. Sie machten es aber ausdrücklich nicht zur Bedingung. In Regierungskreisen hieß es, für den unwahrscheinlichen Fall, dass es im Sicherheitsrat eine Blockade gäbe, wolle sich die Koalition in einer so wichtigen Frage nicht die Hände binden. Das AA vermied jedenfalls sorgfältig die Antwort auf die Frage, ob denn ein Einsatz in Kundus ohne vorherige Erweiterung des UN-Mandats mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Zusätzlich erwägt die Bundesregierung offenbar auch die Entsendung eines rein zivilen Aufbauteams in die Stadt Herat im Nordwesten Afghanistans.

Auch die deutsche Opposition muss sich angesichts der Entwicklung neu sortieren. Mit Blick auf den Einsatz in Kundus lavierten Union und FDP sichtlich. Dabei sind sie von höchster deutscher Regierungsstelle gefragt. „Ich lege Wert auf die Zustimmung der Opposition“, bekundete Kanzler Gerhard Schröder. Da hatte er die Partei- und Fraktionschefs von Union und FDP bereits unterrichtet. Angela Merkel erklärte hernach, es seien viele Fragen offen geblieben, die CDU/CSU wolle sich aber verantwortungsvoll zeigen. Auf ihr Abstimmungsverhalten wollte sich Merkel nicht festlegen; ihr fehle das politische Gesamtkonzept. Merkel lobte aber, dass der Kanzler einen Isaf-Rahmen für die Mission anstrebt – bislang gilt der nur für den Raum Kabul. FDP-Chef Guido Westerwelle erinnerte an die Kapazitätsgrenzen der Bundeswehr und fragte, wie im neuen Afghanistan nationale Stabilität und Sicherheit erreicht werden sollen, wenn laufend zusätzliche ausländische Soldaten geschickt würden. „Unsere Skepsis bleibt und ist eher größer geworden“, sagte Westerwelle. Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) hatte das Dilemma zuvor am prägnantesten beschrieben. Wer nicht „einpacken und gehen“ wolle, dem bleibe nur die Ausweitung des Engagements. Trotz der Risiken, der Kosten, der Überbeanspruchung der Bundeswehr.

Aus der Koalition sind bislang wenige Stimmen gegen eine Ausweitung laut geworden. Die beiden Grünen Hans-Christian Ströbele und Winfried Hermann stellten den Sinn des militärischen Unternehmens in Frage. In der SPD-Fraktion wird es für möglich gehalten, dass sich eigene Abgeordnete ebenfalls dagegen sperren. Damit würde die rot-grüne Koalition im Bundestag keine eigene Mehrheit aufbringen können.

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