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Barroso

© dpa

EU-Präsident: Mann ohne Alternative

EU-Präsident Barroso gilt als blass – doch selbst die Sozialisten werden ihn wohl im Amt bestätigen.

Der Aufstand der Grünen und der deutschen Sozialdemokraten im Europaparlament könnte wieder einmal mit einer Blamage enden. Daniel Cohn-Bendit, der die Grünen in Frankreich zu einem fulminanten Wahlerfolg geführt hat, trommelte diese Woche in Brüssel gegen eine zweite Amtszeit des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso. Er ließ rote Verkehrsschildchen mit dem Querbalken über dem Foto des Portugiesen verteilen: „Stop Barroso“. In den vergangenen fünf Jahren habe der Präsident der EU-Kommission in Europa die „Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung“ vorangetrieben und viel zu wenig für den „sozialen Schutz“ der Arbeitnehmer und die Umwelt getan. Auch einige deutsche Sozialdemokraten, an der Spitze der Wahlverlierer Martin Schulz, sind dem Mann aus der obersten Etage der EU-Behörde nicht grün. Sie werfen ihm vor, zu spät und zu zaghaft auf die Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert zu haben. Doch in den Wahlkampfwochen zuvor waren weder die Grünen noch die Sozialdemokraten in der Lage, eine glaubwürdige und aussichtsreiche Alternative zu dem amtierenden Kommissionspräsidenten anzubieten, den die europäischen Christdemokraten schon vor Wochen ins Rennen geschickt hatten.

Die 27 Staats- und Regierungschefs beeindruckte das rot-grüne Lamento denn auch nicht sonderlich. Sie nominierten José Manuel Barroso gestern beim EU-Gipfeltreffen für eine zweite Brüsseler Amtszeit. Und selbst im Europaparlament dürfte sich Mitte Juli, wenn der neue EU-Kommissionspräsident bestätigt werden soll, eine Mehrheit quer über die Parteien hinweg für Barroso finden. Denn neben den Christdemokraten, die aus den Europawahlen als stärkste Fraktion hervorgingen, werden viele Liberale und aller Voraussicht nach selbst ein erheblicher Teil der europäischen Sozialisten für den Portugiesen votieren.

Allerdings gilt Barroso, den Spötter als „Mann ohne Eigenschaften“ bezeichnen, weder im Kreis der Regierungschefs noch bei Europas Volksvertretern in Straßburg als Idealbesetzung für die Schlüsselrolle der Brüsseler Szene. Zu blass und verhalten war in den vergangenen fünf Jahren seine Amtsführung. Zu sehr war er Wachs in den Händen der Regierungen. Barroso wollte es allen recht machen, den mächtigen Regierungen und den kleinen Ländern, den neuen und den alten EU-Mitgliedstaaten, der Wirtschaft und den Klimaschützern – und landete doch oft zwischen den Stühlen. Denn wenn er die Initiative ergreift, schlägt ihm der Protest gegen die „Einmischung Brüssels“ entgegen. Hält er sich vorsichtig zurück, wird ihm „Untätigkeit“ vorgeworfen.

Dabei hat der ehemalige Ministerpräsident Portugals längst bewiesen, dass er Sachverstand und Verhandlungsgeschick besitzt. Als erfahrener Politiker eines „kleinen Landes“ gehört die Fähigkeit, zwischen den Gegensätzen vermitteln, zu seinen Stärken. Um seiner Rolle als Motor der Integration und Wächter der Verträge gerecht zu werden, muss der Präsident der EU-Kommission jedoch mehr sein als ein Behördenchef, mehr als ein Sekretär der 27 Regierungen.

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