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DDR-Verteidigungsminister a. D.: Mauerbau - das beste, was Deutschland passieren konnte

Heinz Keßler ist ehemaliger Verteidigungsminister der ehemaligen DDR. Nun hat er ein Buch geschrieben. Sein Verleger umschreibt es mit einer "vergleichsweise positiven" Erinnerung an den Mauerbau. Das ist milde gesagt.

Von Matthias Meisner

Im grauen Anzug, offenes Hemd, sitzt er vorn auf dem Podium: Heinz Keßler, 91 Jahre alt, Armeegeneral a. D., bis 1989 Verteidigungsminister der DDR, der vorvorletzte in diesem Amt. Er ist zweifellos einer von gestern, aber jetzt will er – 1961 noch Vize-Minister – vorn dran sein mit seiner Deutung der Geschichte des Mauerbaus, bevor rund um den 13. August, zum 50. Jahrestag, eine „gewaltige Hetzkampagne“ losbricht. Letzteres jedenfalls befürchten er und sein sechs Jahre jüngerer Ko-Autor Fritz Streletz, Generaloberst der NVA. Deshalb haben die beiden das Buch „Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben“ geschrieben. Der gewaltige Anspruch: der historischen Wahrheit die Bahn zu sprechen, wie Keßler sagt.

Vorgestellt wird das Buch in Berlin-Lichtenberg, in der Weitlingstraße hat die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) ihr Büro, ein illustrer Verein, der laut Selbstdarstellung gegen den „rigiden Verlauf“ des deutschen Einigungsprozesses streitet. Im Publikum sitzen – neben Reportern – Genossen, Freunde und Kollegen, alte Männer in Windjacken. Sie holen sich, bevor es losgeht, erst mal Autogramme. Verleger Frank Schumann von der Edition Ost kündigt eine „vergleichsweise positive“ Erinnerung an den Mauerbau an.

Das ist milde gesagt. Denn die Botschaft von Keßler und Streletz, nach deren Worten „gewissenhaft“ und „so objektiv wie möglich“ erarbeitet, lautet: Das Beste, was dem geteilten Land vor 50 Jahren passieren konnte, war der Mauerbau. In Endlosschleifen werde der damalige DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht angeprangert als Lügner, weil er noch im Juni 1961 die geplante Grenzsicherung am Brandenburger Tor bestritten hatte, so die beiden Autoren. Dabei sei die „tatsächliche Lüge“ die offizielle Lesart, Ulbricht sei sowohl Erfinder als auch Bauherr der Mauer gewesen. Nein, im „Zentrum der Überlegungen“ hätten „militärstrategische Fragen“ in Moskau und Washington gestanden. Westmächte und die Nato hätten die Handlungen der DDR akzeptiert, erläutert Streletz. „Ihre strategischen Interessen wurden nicht berührt.“ Selbstverständlich sei jeder Tote, ob nun Grenzsoldat oder „Grenzverletzer“, einer zu viel gewesen. Doch Keßler und Streletz, wegen des Schießbefehls zu mehrjähriger Haft verurteilt, beharren auf ihrem Maßstab: An der Grenze zwischen Mexiko und den USA, „zwei kapitalistischen Staaten“, seien in manchem Jahr mehr Menschen ums Leben gekommen als in den 40 Jahren DDR an der „Frontlinie zwischen den stärksten Militärpakten jener Zeit“.

3000 Exemplare hat die erste Auflage. Die sind laut Verlag vergriffen, eine zweite Auflage sei im Druck. In den neuen Ländern sei die Resonanz „überwiegend positiv“, berichten die Ex-Militärs. Aus dem Westen erfahre man „Hass und Verleumdung“. Dort habe das Denken in den Kategorien des Kalten Krieges überlebt. Keßler ist heute Mitglied der DKP, unterstützt sieht er sich auch von einem „beträchtlichen Teil der Mitglieder und Funktionäre“ der Linkspartei. Dass er selbst noch in den Kategorien des Kalten Krieges denkt, mag der frühere DDR-Politiker nicht zugeben. Aber ausführlich berichtet er, unter welch heimtückischen Umständen er vor exakt 20 Jahren 1991 festgenommen wurde. Fluchtgefahr. „Das kann man auch als Demokratie bezeichnen“, sagt er spöttisch über den Rechtsstaat – doch nur „in Anführungsstrichen“.

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