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Chefsache. Ein Schild erklärt in einer Praxis in Zella-Mehlis (Thüringen), dass der Mediziner in seiner Praxis auch der Türsteher ist. Gesetzlich Versicherte fühlen sich oft gegenüber Privatpatienten benachteiligt – die Bürgerversicherung könnte helfen. Foto: Michael Reichel/dpa

© picture alliance / dpa

Gesundheitsreform: Auch Mediziner wollen Bürgerversicherung

Überraschendes Umfrage-Ergebnis: Nicht nur in der Gesamtbevölkerung, sondern sogar unter den Ärzten findet das Reformvorhaben der Opposition eine Mehrheit.

Berlin - Die Bürgerversicherung hat selbst bei den Ärzten ihren Schrecken verloren. 51 Prozent der Mediziner befürworten die Forderung von SPD, Grünen und Linkspartei, dass sich künftig auch Beamte, Selbstständige und gut verdienende Angestellte gesetzlich versichern müssen. Dies ist ein Ergebnis des aktuellen MLP-Gesundheitsreports, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Nur 41 Prozent lehnen das Reformvorhaben demnach ab. Die meisten Befürworter finden sich unter den Klinikärzten, doch auch eine Mehrheit der Hausärzte würde den Systemumbau begrüßen. Und nur 26 Prozent aller Mediziner sind der Ansicht, dass sich die Gesundheitsversorgung durch eine Bürgerversicherung verschlechtern würde.

Die Chefin des beauftragten Umfrageinstituts Allensbach, Renate Köcher, nannte den Befund erstaunlich. Offenbar hofften viele Mediziner, ihre Einbußen wegen fehlender Privatliquidation über mehr Patienten mit privater Zusatzversicherung wettmachen zu können. Ganz ohne Privatpatienten, so gaben 42 Prozent der Hausärzte und 60 Prozent der niedergelassenen Fachärzte an, sei ihre Praxis nicht überlebensfähig.

In der Gesamtbevölkerung liegt die Zustimmungsrate zur Bürgerversicherung, je nach Fragestellung, zwischen 56 und 58 Prozent. Jeder vierte lehnt sie unter Hinweis auf eine drohende Unterfinanzierung des Systems ab, 33 Prozent wollen individuelle Wahlfreiheit. Im Ländervergleich gibt es die meisten Befürworter in Sachsen-Anhalt und Brandenburg (67 Prozent), die wenigsten in Bayern und Rheinland-Pfalz (49 Prozent).

Die größten Probleme sehen die Befragten derzeit im Pflegesektor. 71 Prozent sind trotz gerade stattgefundener Reform der Ansicht, dass die Politik das Thema Pflege vernachlässigt. Knapp jeder Zweite findet zwar, dass die staatliche Förderung privater Pflegezusatzversicherungen eine „gute Sache“ ist. Den beschlossenen Zuschuss von fünf Euro monatlich („Pflege-Bahr“) allerdings hält die Mehrheit denn doch für zu mickrig. Nur 39 Prozent sehen darin einen wirklichen Anreiz.

Das zweite Problemkind sind laut Umfrage die Krankenhäuser. Sie machen auf immer weniger Bürger einen guten Eindruck, im vergangenen Jahr wurde mit 42 Prozent ein Tiefststand erreicht. 57 Prozent klagen darüber, dass die Ärzte dort zu wenig Zeit für den einzelnen Patienten haben – fast doppelt so viele wie Mitte der 90er Jahre. Jeder Zweite erlebte das Pflegepersonal als überlastet und überfordert. Ärger bereiten aber auch die Wartezeiten beim Arzt. Mehr als jeder Zweite gab an, sehr lange auf einen Termin gewartet zu haben – jeder Dritte davon auch mehrmals. Und zwei von drei Befragten mussten dann trotz ihres Termins noch stundenlang im Wartezimmer sitzen.

Gleichwohl hat die Zufriedenheit der Deutschen mit ihrem Gesundheitssystem einen Stand erreicht wie seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr. 82 Prozent bezeichnen es als gut oder sehr gut. 2011 lag der Wert noch bei 72, vor vier Jahren sogar bei 59 Prozent. Nur 39 Prozent meinen, dass sich die Versorgung verschlechtert hat. Das Zeugnis der Ärzte ist noch positiver: 93 Prozent geben dem System Bestnoten, vor vier Jahren waren es nur 80. Und das Vertrauen der Mediziner in eine dauerhafte Sicherung der Gesundheitsversorgung hat sich in zwei Jahren von 19 auf 38 Prozent verdoppelt.

Interessant ist auch, dass die Ärzte – allen Funktionärsklagen zum Trotz – mit ihrer Finanzsituation hochzufrieden sind. 86 Prozent haben daran nichts auszusetzen. Bei den Klinikärzten, für die der Marburger Bund gerade wieder um höhere Gehälter kämpft, sind es sogar 95 Prozent.

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