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Politik: Mehr als 35 SPD-Abgeordnete lehnen Reform ab

Parteilinke fordern Nachbesserungen beim Gesundheitsfonds / Patientenbeauftragte gegen Zuzahlungspläne

Berlin - SPD-Fraktionschef Peter Struck hat Schwierigkeiten, für eine geschlossene Zustimmung der SPD-Abgeordneten zur Gesundheitsreform zu sorgen. In einer ersten Fraktionsberatung am Dienstag gab es nach Teilnehmerangaben eine harte Debatte. Viele Abgeordnete hätten sich enttäuscht geäußert, dass etwa eine stärkere Steuerfinanzierung des Gesundheitssystems oder eine weitere Einbeziehung der Privatkassen gescheitert sei. Der Abgeordnete Wolfgang Wodarg hatte vor der Sitzung gesagt, „mehr als 35“ Fraktionskollegen stünden der Reform ablehnend gegenüber. Manche hofften noch auf Korrekturen, andere lehnten den Gesundheitsfonds grundsätzlich ab, sagte Wodarg dem Tagesspiegel. Er selbst werde keinesfalls zustimmen. Für die SPD seien die Pläne „ein Sprengsatz“.

Mit der Patientenbeauftragten Helga Kühn-Mengel kommt zudem heftige Reformkritik von einer Zugeordneten desGesundheitsministeriums. Die SPD-Politikerin möchte unbedingt die geplanten Zuzahlungsregeln für Krebspatienten und andere Schwerkranke aus dem Entwurf haben. Bisher ist vorgesehen, dass chronisch Kranke nur dann wie bisher maximal ein statt zwei Prozent ihres Einkommens an Zuzahlungen leisten müssen, wenn sie zuvor regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen haben und sich „therapiegerecht“ verhalten. Gerade bei benachteiligten Schichten gebe es Probleme mit der Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen, sagte Kühn- Mengel dem Tagesspiegel. Gleichzeitig sei hier der Anteil chronisch Erkrankter deutlich höher. Es gebe aber „nur einen Weg, um auch diese Schichten zu erreichen, und der heißt: aufsuchende Präventionsarbeit“. Die Politik habe hier „eine Bringschuld, die man nicht umkehren darf in zusätzliche Belastungen“. Am bisherigen Grundsatz, ungleiche Gesundheitschancen auszugleichen, dürfe sich nichts ändern.

Der Plan, „nicht therapiegerechtes Verhalten“ zu bestrafen, laufe zudem ihrer eigenen Absicht zuwider, „zwischen Arzt und Patient Augenhöhe herzustellen“, so Kühn-Mengel. „Mit der geplanten Regelung würden wir Kopfnoten im Gesundheitssystem einführen.“ Vergleichsstudien hätten ergeben, dass die Versorgung in Deutschland am Gegenteil krankt. „Ein großer Teil unserer Patienten erhält keine Informationen über Behandlungsziele, Alternativtherapien und Nebenwirkungen von Medikamenten.“ Nötig sei mehr Patientenorientierung und Information, nur so erreiche man langfristig eine Verhaltensänderung.

Nach Tagesspiegel-Informationen will die Parlamentarische Linke (PL) in der SPD-Fraktion, der über 100 Abgeordnete angehören, am Donnerstag schriftlich Nachbesserungen fordern. Die Forderungen sollen Struck erst mündlich vorgetragen werden. Wortführerin Andrea Nahles sprach von „Bedingungen“ für die Zustimmung. Gebe es keine Änderung beim Finanzausgleich zwischen armen und reichen Kassen und beim Zusatzbeitrag für sozial Schwache werde es „eng“. Scharfe Kritik äußerten auch Marlies Volkmer und Hilde Mattheis. Sie halte den Kompromiss „in der Anlage für falsch“, sagte Mattheis: „Der Gesundheitsfonds muss weg.“ Die Pläne führten nicht zu Wettbewerb um mehr Qualität, sondern um Versicherte mit geringen Krankheitsrisiken. Volkmer nannte den Fonds „überflüssig“.

Für Struck geht es bei der Abstimmung auch um seine Reputation als Fraktionschef. Mit Kritik an der Durchsetzungsfähigkeit von Kanzlerin Merkel gegenüber den Unionsregierungschefs hatte er einen Koalitionskrach ausgelöst. Unionspolitiker hatten ihm vorgeworfen, vom Widerstand in der SPD-Fraktion gegen die Gesundheitsreform ablenken zu wollen.

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