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Krankenkassen: Mehr Arbeit, mehr Ärger – für acht Euro

Zusatzbeiträge bringen immensen Verwaltungsaufwand für Krankenkassen.

Berlin - Gesundheitsminister Philipp Rösler kann sich freuen. Wenn er sein großes Projekt, die Umstellung des Beitragssystems auf einkommensunabhängige Kopfpauschalen, in Angriff nimmt, haben die Krankenkassen die schlimmste Vorarbeit dafür bereits erledigt: die Erhebung von 51 Millionen Datensätzen für alle gesetzlich Versicherten. Die nämlich benötigt der FDP-Minister zwingend, um sein Versprechen wahrmachen und die ungerechten Kopfpauschalen mit einem „Sozialausgleich“ für geringer Verdienende abfedern zu können.

Die Kassen dagegen stöhnen. Nicht genug, dass ihnen die von der Politik bescherten Zusatzbeiträge den Ärger ihrer Versicherten und wohl auch manche Kündigung einbringen werden. Sie sind auch mit einem irrwitzigen Verwaltungsaufwand verbunden. Die Zusatzbeiträge werden den Mitgliedern ja nicht, wie beim Krankenkassenbeitrag gewohnt, einfach mit dem Gehalt abgezogen. Sie müssen von der Kasse jedem Einzelnen gesondert in Rechnung gestellt und von diesem dann Monat für Monat überwiesen werden. Mit allen Risiken von Säumnis, Schusseligkeit und Sabotage.

DAK-Vorstandschef Herbert Rebscher, der für seine Zusatzbeitrags-Ankündigung noch offensiv in die Rolle des „Tabubrechers“ schlüpfte, verfällt bei der Frage nach solchen Unwägbarkeiten in einen fast schon flehentlichen Ton. Er hoffe „inständig“, sagt er, den Versicherten begreiflich machen zu können, „dass der Zusatzbeitrag Bestandteil des Versicherungsschutzes ist, mit dem man nicht spielt“. Und gibt gleichzeitig zu, dass es „wohl sehr schwierig sein wird, die acht Euro per Inkasso einzutreiben“.

Es ist vor allem unverhältnismäßig. Nach Rebschers Rechnung bleiben den Kassen von den acht Euro, die sie ohne Einkommensprüfung verlangen dürfen, nach Abzug aller Verwaltungskosten ohnehin nur sechs Euro übrig. Wenn denen dann noch aufwendig nachgejagt werden muss, ist die Sache womöglich ganz für die Katz. Wenn die Versicherer aber in Einzelfällen klein beigeben, könnte sich das herumsprechen und der allgemeinen Zahlungsmoral schaden. Ein Teufelskreis.

Kein Wunder, dass bei Helmut Wasserfuhr in den vergangenen Wochen das Telefon nicht stillstand. Der Kölner ist Chef der Gemeinsamen Betriebskrankenkasse (GBK), die von ihren 30 000 Mitgliedern schon seit sechs Monaten Zusatzbeiträge verlangt. Wasserfuhrs Kasse hat also unfreiwillig Pionierarbeit geleistet. Und was der GBK-Chef zu erzählen hatte, war für seine Kollegen nicht gerade beruhigend. 15 bis 20 Prozent der GBK-Mitglieder blieben in der Anfangszeit ihre Zusatzbeiträge schuldig. Der Grund dafür seien aber oftmals Irrtümer und Missverständnisse gewesen, die sich beheben ließen. „Ich denke, dass wir langfristig unter die Zehn-Prozent-Marke kommen werden“, sagte Wasserfuhr der „Ärztezeitung“. Unter den verbleibenden Nichtzahlern werde dann, so viel glaubt er jetzt schon sagen zu können, wohl ein großer Anteil Hartz-IV-Empfänger sein.

Was die Konsequenzen betrifft, gibt sich der Kassenchef unnachgiebig. Bei Nichtzahlern werde ein Mahnverfahren eingeleitet, notfalls bis zur Pfändung von Gehalt oder Rente. Das dürfen die Kassen natürlich. Doch vielleicht lohnt hier ein Blick auf die Erfahrungen mit der Praxisgebühr. Auch die sei von manchem Patienten vor allem in der Anfangsphase verweigert worden, erinnert sich Roland Stahl von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. „Bei Mahnverfahren wurden dann aber aus zehn Euro ganz schnell 120“, sagt er. Und es habe ellenlang gedauert, bis die Gerichte es erlaubten, den Nichtzahlern auch diese Kosten aufzubrummen.

Ob man Zusatzbeitragsverweigerern Leistungen vorenthalten darf, ist vollends unklar. Das sei „eine ganz spannende Frage“, heißt es im Bundesversicherungsamt, sie werde bereits geprüft. Möglich ist Leistungsverweigerung bisher, wenn Versicherte mit kompletten Beiträgen im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlen. Aber bei acht Euro?

Erfahrung haben die Kassen mit säumigen Zahlern jedenfalls kaum. Man sei ja mit den meisten „nie in direkter Finanzbeziehung gestanden“, sagt Rebscher. Damit künftig wenigstens nicht bei jeder Vergesslichkeit eine Mahnung rausgehen muss, werden die Kassen versuchen, ihre Kunden zu Einzugsermächtigungen zu überreden. Oder gleich zu Zahlungen für sechs Monate oder das ganze Jahr. Wenn das Bundesversicherungsamt mitspielt, könnte das ja auch mit einem Bonus belohnt werden, stellt Rebscher in Aussicht. Und versichert: „Es wird einen bunten Strauß an Zahlungsmodalitäten geben.“

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