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Politik: Mehr Lehrer? Es geht um mehr

Von Susanne Vieth-Entus

Wenn deutsche Bildungspolitiker über ihre Arbeit sprechen, gibt es ein Thema, das sie gern umschiffen – den Unterrichtsausfall. Kaum eine Schulbehörde macht sich die Mühe, die Ausfallstatistik vollständig zu führen. Denn sie haben Angst, den unzufriedenen Eltern auch noch handfeste Beweise des Versagens zu liefern. Und wenn man dann doch mal Zahlen bekommt, dann sind sie meist geschönt: Da wird die bloße Präsenz einer Erzieherin schon als „Unterricht“ verbucht. Auch wenn ein Sportlehrer die Englischstunde „schmeißt“, gilt das den Behörden schon als gelungene Vertretung.

Diese irreführende Praxis will sich der Philologenverband nicht gefallen lassen. Er hat jetzt errechnet, wie viele Stunden pro Woche in Deutschland tatsächlich nicht „stundenplangerecht“ stattfinden. Er kommt auf eine Million – deutsche Realität im Jahre sechs nach Pisa.

Der Philologenverband bleibt bei dieser Feststellung aber nicht stehen. Er behauptet, dass der Ausfall in direkter Verbindung mit dem Lehrermangel steht. Das aber greift zu kurz. Denn es gab Zeiten in Deutschland, da hatten die Länder wesentlich mehr Lehrer und dennoch einen hohen Unterrichtsausfall. Und es gibt auch jetzt Schulen, die trotz knapper Lehrer kaum Unterricht ausfallen lassen. Die schlichte Forderung nach „mehr Lehrern“ führt offenbar nicht weiter.

Lehrer sind teuer. Ihre Gehälter verschlingen schon jetzt rund 85 Prozent der Bildungsausgaben. Und mit teuren Ressourcen muss man bedachtsam umgehen. Bedachtsam heißt zum Beispiel, dass sie gut behandelt werden müssen: Wer Lehrer unaufhörlich als faul anschwärzt, kann nicht erwarten, dass sie gern arbeiten. Bedachtsam heißt, dass Schulleiter sich darüber klar werden, welche Potenziale in ihren Kollegien stecken und diese entsprechend einsetzen. Kein Betrieb kann es sich leisten, Mitarbeiter blind zu verheizen, anstatt sich im Gespräch auf Ziele und Chancen zu verständigen. Schulen müssen davon lernen.

Zum bedachtsamen Umgang gehört aber auch, dass Lehrer nur die Tätigkeit ausüben sollten, für die sie ausgebildet wurden. Sie sind zu teuer und zu knapp, als dass man sie für Sozialarbeit oder für die Betreuung von Schülerfirmen heranziehen sollte. Hierfür müssen andere Menschen ins Spiel kommen: Sozialpädagogen, aber auch Fachleute aus anderen Berufen. Warum, zum Beispiel, soll die schuleigene Cateringfirma nicht von einer Hauswirtschafterin geleitet werden? Schülern und vor allem Hauptschülern tut es erwiesenermaßen gut, wenn sie Menschen aus der Praxis begegnen.

Allerdings muss man genau darauf achten, wen man sich zu welchem Zweck in die Schulen holt. Vorbei sind die Zeiten, da man nur ein paar hundert Mütter einstellen musste, um den Lehrermangel in Grundschulen zu bekämpfen. Heute käme man damit kaum weiter angesichts der Tatsache, dass viele Kinder schlecht Deutsch sprechen und immer schwieriger im sozialen Umgang werden.

Der Bundespräsident hat in seiner Berliner Rede zwar „mehr Geld“ für Bildung gefordert, aber nicht „mehr Lehrer“. Er sprach von „genug Lehrern“. Was „genug“ bedeutet, kann an jeder Schule variieren. Deshalb sollte man es endlich den Schulen selbst überlassen, ob sie mit ihrem Geld die Lehrerreserve stärken oder die Sozialarbeit oder ob sie Honorarkräfte vom Studenten bis zum Handwerker heranziehen. Ohne Flexibilität bessert sich nichts – weder die Ausfallstatistik noch die Stimmung von Eltern, Lehrern – und Schülern.

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